Vollkommen unvollkommen

Abends kommt oft die Ernüchterung. Wieder einmal ist es uns nicht gelungen, alle Arbeiten, die wir uns für den heutigen Tag auf unseren geistigen Merkzettel geschrieben hatten, zu erledigen. Unerwartete Telefonate, akute und unaufschiebbare Gespräche mit Mitarbeitern und unsere zu optimistischen Vorstellungen vom Abarbeiten von Verträgen, Anträgen, Gutachten lassen unsere Tagesbilanz eher nüchtern ausfallen. Mit dem Schließen der Bürotür ertappen wir uns dann bei dem Gedanken, unzulänglich, unvollkommen zu sein. Gut, es stimmt, dass wir nicht alles erreicht haben, was wir uns für den Tag vorgenommen haben. Auf der Habenseite des Arbeitstages steht tatsächlich weniger als auf der Sollseite. Meist übersehen wir bei unserem inneren Resümee allerdings, was uns den Tag über gut und problemlos gelungen ist. Wir sind es so gewohnt, uns auf unsere Unvollkommenheit zu fokussieren, dass wir die vielen kleinen und großen erledigten Arbeiten einfach vergessen.

Außerdem übersehen wir bei den vielen Sehnsüchten in unserer Gesellschaft nach dem Ausnahmefußballer, dem unfehlbaren Trainer, dem charismatischen Politiker, dem Schlager singenden Superstar oder dem erfolgreichen Topmodell, dass es Teil unseres menschlichen Daseins ist, unvollkommen zu sein. Alles, was wir tun können, ist nach Vollkommenheit zu streben und gleichzeitig zu akzeptieren, dass wir sie nicht erreichen, sondern ihr höchstens nahe kommen können. Im Großen wie im Kleinen. Haben wir für uns erst einmal erkannt, dass Unvollkommenheit zu uns Menschen gehört und lernen wir dann im nächsten Schritt, sie bei uns und bei anderen anzunehmen und zu respektieren, dann können wir im Laufe der Zeit beginnen, uns in unserem beschränkten Rahmen weiter zu entwickeln. Wissen wir beispielsweise, dass unser Zeitmanagement verbesserungswürdig ist, dann kann ein Seminar, ein Coaching oder ein Gespräch mit einem Kollegen, einer Kollegin oder der eigenen Sekretärin uns helfen, mit manchmal wenigen Änderungen unseren Tagesablauf zielführend zu verbessern. Gelingt es uns dann noch, nach einem ersten und verständlichen Ärger über das Nichterreichte, mit uns selbst humorvoll umzugehen und allmählich Gelassenheit mit uns zu entwickeln, dann bringt uns unsere Unvollkommenheit dazu, im Beruf wie im Privatleben freier und selbstbewusster zu leben und zu handeln.

   

Checkliste

Die Checkliste verweist auf Fragen und Erfahrungen aus der täglichen Coaching-Praxis.

1.) Wir träumen von der großen Liebe. Wir glauben, unser Leben wäre mit einem reich ausgestatteten 6er im Lotto vollkommen, und gleichzeitig wissen wir, dass weder wir noch das Leben perfekt sind, dass Vollkommenheit unerreichbar ist. Bei unserer Sehnsucht nach dem Vollkommenen vergessen und übersehen wir dann, was wir täglich leisten und wie wir uns in kleinen Schritten und ganz allmählich aufgrund unserer täglichen Bemühungen weiter entwickeln.

 

2.) Erlauben Sie sich Ihre Sehnsucht nach dem perfekten Leben und schreiben Sie sich dann auf – in Gedanken oder auf Papier -, was Ihnen heute oder in den letzten Tagen und Wochen alles gelungen ist. Vergessen Sie nicht die sogenannten Kleinigkeiten, wie schwierige Gespräche mit Kunden und Mitarbeitern, die gut vorbereitete Sitzung oder schlicht die Tatsache, dass Sie freundlich zu allen Kolleginnen und Kollegen sind.

 

3.) Wenn Sie sich permanent unvollkommen fühlen und immer unzufriedener damit werden, dann versuchen Sie mit Freunden, Kollegen, Therapeuten oder Coach Ihr Selbstbewusstsein zu verbessern und vermehrt auf sich zu achten.

 

4.) Vergleichen Sie sich weniger mit anderen und versuchen Sie, die Menschen – und die Dinge – (zumindest zunächst) so anzunehmen, wie sie sind.

 

Tipps zum Lesen

Immer, wenn es für uns möglich ist, wählen wir für Sie aus der sehr umfangreichen Literatur zu Beruf und Karriere einige Bücher aus, die unsere ganz subjektiven Empfehlungen für Sie sind:

 

André, Christophe, Unvollkommen, glücklich und frei

2007, Patmos Verlag, ISBN: 9783491421011

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