Neid

„Ich habe mich gewundert, weshalb sich meine Mitarbeiterin in unseren Kreativrunden nicht mehr mitteilte und einbrachte. Sie hatte sonst immer die besten Ideen für unser Unternehmen.“ Weil Markus R. die Zurückhaltung seiner Mitarbeiterin zunehmend irritierte, stellte er sich im Coaching die Frage, was er als Chef tun könnte, sie wieder so zu motivieren, dass sie wie früher aktiv im Team mitwirkt. Erst nach einigen Beratungsstunden wurde sichtbar, dass es seiner Mitarbeiterin auch weiterhin nicht an Motivation mangelt. Sie hatte vielmehr Angst davor, von ihrem Chef zu sehr gefördert zu werden, weil ihre Kollegen und Kollegen darauf neidisch waren, und sie deshalb in ihrer Arbeit bewusst behinderten und sabotierten. Herablassende Bemerkungen, verschwundene Unterlagen und wichtige Informationen, die vergessen wurden, weiterzugeben, gehörten zum täglichen Neid-Repertoire der Kolleginnen und Kollegen. Sie sah für sich keinen anderen Weg, als sich zurückzuziehen, möglichst wenig aufzufallen und so hoffentlich nicht noch mehr Neid auszulösen. Einen Wechsel des Arbeitsplatzes schloss sie nicht mehr aus.

Für Markus R., Inhaber eines Umweltberatungsunternehmens, war das Verhalten seiner Mitarbeiter eine herbe Enttäuschung. Er hatte geglaubt, wenn er gute Mitarbeiter auszeichnet und sie vor allen anderen lobt, könne er damit sein ganzes Team motivieren, noch besser und noch erfolgreicher zu werden. „Übersehen habe ich dabei, dass in unserem 10-Mann-Team jeder versucht, nach vorne zu kommen und sich unentbehrlich zu machen. Inzwischen habe ich für mich gelernt, dass es für ein kleines Team wie das unsrige wichtig ist, jedem Einzelnen immer wieder zu verdeutlichen, worin ich seine individuellen Stärken sehe und weshalb ich einzelne Kollegen gezielt mit bestimmten Aufgaben betraue.“

Markus R. versucht seither, seine Entscheidungen für alle transparent darzustellen. Er führt regelmäßig mit jedem einzelnen Mitarbeiter Gespräche und fordert sie auf, sich in ihrem Spezialgebiet konsequent weiter zu bilden und voran zu kommen. So hat sich der zerstörerische Neid zwischen den Kolleginnen und Kollegen spürbar verringert, und der Respekt untereinander ist größer geworden. „Entscheidend war, dass wir in einer Teamsitzung über Neid und seine positiven und negativen Auswirkungen gesprochen haben und dabei erkannt haben, dass wir neidisch sein können, wenn wir gleichzeitig unsere Stärken und die unseres Gegenübers anerkennen.“

   

Checkliste

 

1.) Neid hat viele Gesichter. Positiv eingesetzt, kann Neid auf den Erfolg eines anderen zu Höchstleistungen antreiben. Zeigt er sich von seiner zerstörerischen Seite, dann kann er in einem Unternehmen erheblichen Schaden anrichten und für Unfrieden sorgen.

2.) Einige Spielregeln können helfen, dem Neid unter Kolleginnen und Kollegen von vornherein zu begegnen. Wichtig ist es dabei unter anderem, Unternehmensentscheidungen transparent und für möglichst viele nachvollziehbar darzustellen. Gezielte Förderung von Mitarbeitern sollte nach sichtbarer Qualifikation stattfinden. Von den Mitarbeitern und der Unternehmensleitung gemeinsam aufgestellte Spielregeln müssen von allen eingehalten werden.

3.) Bleibt ein Mitarbeiter ohne äußeren Grund weiter neidisch und wirkt damit zerstörerisch in einem Team, ist ein Coaching oder eine Therapie anzuraten oder eine Trennung vorzuschlagen.

 

Tipps zum Lesen

Bolzano, Klaus, Die Neidgesellschaft, 2007, Goldegg Verlag, ISBN: 9783901880087

Epstein, Joseph, Neid – die böseste Todsünde, 2010, Klaus Wagenbach Verlag, ISBN: 9783803126504

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