Vertrauen

„Ich erhoffe mir mehr Vertrauen zwischen uns Kolleginnen und Kollegen und mehr Selbstvertrauen in unser Können und unser Tun“, antwortete Hannelore M. auf die Frage, was sie sich für ihre bevorstehende Aufgabe in einer großen sozialen Einrichtung wünscht, in der sie eine verantwortliche Funktion im mittleren Management übernommen hatte. „Bislang macht bei uns jeder sein Ding allein, Interesse an der Arbeit und den Aufgaben des anderen hat kaum einer, unser Betriebsklima ist geprägt von gegenseitigem Misstrauen und intrigantem Verhalten“, fasste sie ihre täglichen Erfahrungen zusammen. Wichtige Gründe für das mangelnde Vertrauen in ihrem künftigen Team hatte Hannelore M. schnell erzählt: zu wenig Zeit für ein Gespräch untereinander, fehlende Transparenz bei Entscheidungen und Aufgabenverteilung und schlechte Erfahrungen mit der bisherigen Leitung. „Ich will langfristig versuchen, ein vertrauensvolleres Klima in unserer Abteilung herzustellen als bisher. Zuerst möchte ich jedoch bei mir anfangen“, umriss sie ihre Ziele.

Gewohnt, davon auszugehen, dass „ich entweder Vertrauen habe oder nicht“, erkannte sie rasch, dass sie mit dem Anspruch, absolut zu vertrauen, sich und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überfordert. Ebenso mit der Vorstellung, „dass sich, wenn ich nur nett genug bin, alle mit allem erwartungsvoll an mich wenden.“ Inzwischen weiß sie, dass ihr Nettsein für eine echte Vertrauenskultur nicht ausreicht. Ein freundlicher, durchaus distanzierter Umgang, klare Aussagen ihrerseits, das Bemühen, redlich und unabhängig zu handeln, bei Konflikten sofort und deutlich Stellung zu nehmen, unangenehme Themen rechtzeitig, fair und offen anzusprechen und ein auf den einzelnen Mitarbeiter und seine Fähigkeiten individuell abgestimmtes Kontrollieren seiner Aufgaben sind wichtige Voraussetzungen für einen respektvollen Umgang im Beruf.

„Beim Thema Kontrolle habe ich gezuckt. Niemand will gerne kontrolliert werden. Erst als ich begriffen habe, dass ich es gegenüber der Unternehmensleitung verantworten muss, wenn die an mich delegierten Aufgaben nicht erledigt werden, und dass ich mit meiner Kontrolle meinen Mitarbeitern helfen kann, sich weiter zu entwickeln, ist es mir gelungen, wertschätzende und regelmäßige Gespräche mit meinem Team über die erreichten Schritte zu führen und die Mitarbeiter zu loben und zu kritisieren.“

 

Checkliste

 

1.) Die meisten Menschen wünschen sich im beruflichen Alltag einen vertrauensvollen Umgang untereinander. Das signalisieren jedenfalls zahlreiche Leitbilder in Unternehmen. In der Realität herrscht dagegen oft Misstrauen oder ein weichgespülter Kuschelkurs, der Belastungen selten aushält.

2.) Eine Vertrauenskultur im Betrieb kann dann entstehen, wenn Führungskräfte ihren Mitarbeitern gegenüber einen Vertrauensvorschuss schenken , in ihrer Anerkennung und in ihrer Kritik berechenbar sind und unkollegiales und intrigantes Verhalten nicht tolerieren, sondern sofort darauf reagieren und dieses missbilligen. Ebenso, wenn sie unfaires Verhalten nicht als Vertrauensbruch, sondern als enttäuschend empfinden und lernen, mit der Ent-Täuschung umzugehen.

3.) Jeder Mitarbeiter braucht ein anderes Vertrauen und damit auch eine anderes Kontrollieren der ihm übertragenen Aufgaben. Zuverlässige Mitarbeiter benötigen meist weniger Nachfragen und Hilfestellungen, als unerfahrene oder jemand, der sich vor allem für sein eigenes berufliches Fortkommen einsetzt.

4.) Der Aufbau einer Vertrauenskultur in einem Unternehmen braucht Zeit und Geduld und findet nie frei von Enttäuschungen und Rückschlägen statt.

 

Tipps zum Lesen

Grundl, Boris, Diktatur der Gutmenschen, 2010, Econ Verlag, ISBN: 9783430201070

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