Was für ein schöner Sonntag

Mit diesem einfachen Satz begann Joachim Gauck als frisch gewählter Bundespräsident vor der Bundesversammlung seine kurze Ansprache. Mit dem Satz ‚Was für ein schöner Sonntag‘ erinnerte er in seiner Rede an zwei historische Daten deutscher Geschichte, an 1848 und 1990. Und – ohne es auszusprechen – vermutlich auch an den Roman des spanischen Schriftstellers Jorge Semprún, der 1980 unter dem gleichnamigen Titel erschienen ist und sich mit den kommunistischen und faschistischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts auseinander setzt. Bei diesem Satz schwingt wahrscheinlich Gauck‘s Vorstellung mit von der ‚Freiheit der Erwachsenen‘, die er Verantwortung nennt. Er versteht darunter nicht zuletzt, dass wir als erwachsene Menschen zuständig sind für die ‚in uns wohnende Fähigkeit‘, die wir als ‚Fähigkeit zur Verantwortung bezeichnen‘. Er wünscht sich selbst und uns, dass wir den Mut haben, unsere ‚Gaben‘ für uns einzusetzen. D. h., anzuerkennen, dass wir es geschafft haben, einen Beruf zu erlernen oder gerade dabei sind, es zu tun und auch, dass wir uns täglich aufs Neue unseren Aufgaben und Herausforderungen, die an uns heran getragen werden, stellen. Dass wir gute Arbeit leisten, die hoffentlich angemessen bezahlt wird. Denn viel zu oft lassen wir es zu, dass uns unsere inneren Stimmen sagen, das kannst Du nicht, das schaffst Du nicht, lass es lieber sein, Dir wird das nicht gelingen. Viel zu oft geben wir diesen Stimmen nach, mal aus Mangel an Motivation, meist jedoch, weil uns der Mut fehlt, uns mit uns auseinander zu setzen und uns zu fragen, was wir können und was wir mit unserem Können erreichen können und möchten. Selbst wenn wir um unsere Kompetenzen, unsere ‚Gaben‘ wissen, setzen wir sie viel zu selten dort ein, wo sie am besten gebraucht, und wir es für uns am sinnvollsten empfinden würden. Ein vorgeschobener Grund mag sein, dass das beispielsweise für uns heißen würde, mehr Verantwortung im Beruf zu übernehmen. Oder dass wir uns dazu entschließen müssten, anspruchsvollere Tätigkeiten anzupacken oder eine Leitungsfunktion zu übernehmen. Womöglich haben wir sogar Angst davor, dass uns die Kolleginnen und Kollegen ausgrenzen und aus der gemütlichen Komfortzone unseres Büros hinaus treiben, wenn wir mit Weiterbildungen unser Können stärker ausbauen und trainieren. Es ist auch die Angst vor dem Scheitern, die uns daran hindert, uns für die in uns wohnende Fähigkeit verantwortlich zu fühlen und sie zu leben und auszubauen. Zu viel hineininterpretiert in einen einfachen Satz, der da hieß: ‚Was für ein schöner Sonntag.‘? Gut möglich. Vielleicht aber doch nicht.

 

Checkliste

 

1.) Uns fällt es oft schwer, unsere berufliche Kompetenz richtig zu beurteilen und einzuschätzen.

Das hat vermutlich verschiedene Gründe: Wir wollen nicht als Blender verschrien werden, wir befürchten, dass der Drück auf unseren Arbeitsalltag noch größer wird, wir sehen uns als Nichtkönner, dabei sind wir längst Spezialisten.

2.) Verantwortung zu übernehmen für unser Können, heißt auch, unsere Angst zu überwinden, etwas falsch zu machen, z. B. eine Fehlentscheidung zu treffen. Erkennen wir, dass wir auch für das Verantwortung tragen, was wir nicht tun, fällt es uns möglicherweise leichter, uns für unsere Fähigkeiten einzusetzen.

3.) Hilfreich kann das Gespräch mit Freunden, der Familie oder mit einem Therapeuten oder Coach sein, bei der Suche nach Antworten nach den in uns wohnenden Kompetenzen.

Tipps zum Lesen

Zitate aus: Gauck, Joachim, Freiheit, Ein Plädoyer, 60 Seiten, 2012, Kösel Verlag, ISBN: 9783466370320

André, Christophe, Die Launen der Seele, 2012, Aufbau TB Verlag, ISBN: 9783746670881

André, Christophe, Die Kunst der Selbstachtung, 2002, Aufbau TB Verlag, ISBN: 9783746618050

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