Trauerfall im Betrieb

„Plötzlich und unerwartet…“ steigt der Kollege aus der Nachbarabteilung nicht mehr jeden Morgen in den Zug, der uns zur Arbeit bringt. Sein Platz neben uns in der Cafeteria und während der täglichen Mittagspause bleibt leer. Es fehlt sein Lachen und seine Begeisterung für die neuen Herausforderungen, sein ernster und engagierter Blick auf unsere Ideen für das neue Projekt. Sein Tod hinterlässt in uns ein Gefühl von Ohnmacht, eventuell auch von Wut. Wir fühlen uns allein gelassen.

Wir wissen um die Vergänglichkeit unseres Lebens. Dennoch verdrängen wir gerade zu weltmeisterlich die im Gegensatz zu vielen anderen Dingen des Lebens die ‚alternativlose‘ Tatsache Tod. Darauf vorbereitet, dass eine Familienangehörige, ein lieber Freund oder eine Kollegin oder unser Chef sterben könnten, sind wir nicht. Selbst dann oft noch nicht, wenn sie todkrank sind.

Ebenso wenig, so scheint es, setzen sich Unternehmen und Institutionen damit auseinander, wie sie mit dem Tod eines Mitarbeiters umgehen. Meist findet im Betrieb, außer der üblichen Todesanzeige und dem Kranz mit Schleife, keine weitere Trauerarbeit statt. Die wenigsten Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern eine Begleitung an, die den Trauenden am Arbeitsplatz hilft, mit dem Verlust des Kollegens umzugehen. Wir bleiben mit der eigenen inneren Leere allein, fühlen uns weiterhin ‚betäubt‘ und ‚konfrontiert‘ mit der unausweichlichen Endlichkeit des eigenen Lebens.

Im Gegenteil: Trauer und Trauerarbeit wird in vielen Betrieben als „lästig“ empfunden. Sie kann sogar Konflikte und Irritationen auslösen. Besonders dann, wenn die Leistungen eines trauernden Mitarbeiters abfallen, und das Betriebsklima dadurch droht, gestört zu werden. Ähnlich hilflos reagieren Unternehmen und Kolleginnen und Kollegen, wenn ein nahes Familienmitglied eines Betriebsangehörigen gestorben ist, und der Betroffene das eigene Dasein auf der Welt nur noch als sinnlos und überflüssig ansieht.

Beim Umgang mit Trauerfällen gibt es für Unternehmen vermutlich keinen Königsweg. Vielmehr erscheinen auf den Einzelnen ausgerichtete Angebote seitens des Betriebs sinnvoll. Sicher ist allerdings auch, dass ein wertschätzender, geduldiger und einfühlender Umgang mit dem Trauernden dem betroffenen Mitarbeiter oder der betroffenen Mitarbeiterin hilft. Er trägt zu einer verbesserten Kommunikation bei und sorgt dafür, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wissen, sie können sich in ihrem Unternehmen ein Stück weit aufgefangen fühlen, wenn sie selbst einen Trauerfall erleben.

 

Checkliste

 

1.) In den USA befassen sich immer mehr Unternehmen mit der Frage, wie sie mit einem Todesfall im Betrieb umgehen. Einzelne Unternehmen verfügen über Leitfäden dafür und holen sich strukturierte Hilfe von außen, beispielsweise von Palliativorganisationen, von Theologen, Ärzten und Psychologen. In deutschen Betrieben packen Unternehmungsleitung oder des Betriebsrates das Thema bislang selten an.

2.) Manche Betriebe richten eine „Hall of Fame“ ein: Mit Fotos, Lebensdaten und kurzen Lebensläufen an einer dafür ausgesuchten Wand im Betrieb halten sie das Gedenken an langjährige und verdienstvolle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wach; stellvertretend für alle verstorbenen Kolleginnen und Kollegen.

3.) Für ein Unternehmen ist der Umgang mit einem Betriebsunfall mit tödlichem Ausgang besonders schwierig. Zum Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber dem Tod kommen noch die Fragen nach Ursache und Schuld. Hier ist neben der rechtlichen Beratung eine kompetente psychologisch-theologische Unterstützung angezeigt.

 

Tipps zum Lesen

Brathuhn, S., Freudenberg, E., Fuchs, M., Die Trauer und ihre Begleitung am Arbeitsplatz, Sonderdruck aus ASUpraxis, Der Betriebsarzt, 11, 2009.

Spiegel Wissen, Abschied nehmen. Vom Umgang mit dem Sterben, Heft 4, 2012

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