Kränkungen

Erste Reaktionen: Schockstarre, Lähmung, tiefe Enttäuschung. Gerade haben Sie von Ihrer Geschäftsführung erfahren, dass Sie Ihre bisherige Position im Unternehmen verlieren und künftig jemand anderes Ihre Stellung übernimmt. Die von Ihnen gern getragene Verantwortung ist weg, nur das Gehalt und die Zulagen bleiben unverändert. Oder: Die von Ihnen so sorgfältig ausgearbeiteten Ausführungen hat Ihr Chef oder Ihre Chefin vor dem gesamten Team unwirsch auf die Seite geschoben mit dem Kommentar, so habe er oder sie sich das nicht vorgestellt. Nach dem ersten Schock folgen Empörung, Wut und das heftige Gefühl des sich gekränkt Fühlens.

Kränkungen am Arbeitsplatz können uns sehr belasten. Wir erleben sie als seelische Verletzungen und müssen sehen, wie wir mit unserem Gefühl umgehen, dass wir uns zu wenig Wert geschätzt, vielleicht sogar entwertet und abgelehnt fühlen. Manchmal reagieren wir regelrecht trotzig darauf und je länger wir an unserer Kränkung festhalten, umso verbitterter werden wir und umso mehr verachten wir die anderen, weil sie nicht sehen, wie gut wir doch sind und wie ungerecht wir von ihnen behandelt werden. Im Extremfall ziehen wir uns in uns selbst zurück und verweigern die bislang gelebte konstruktive Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen und den Vorgesetzten. Dienst nach Vorschrift ist das allerhöchste, was wir bieten. Manchmal jahrelang.

Erkennen Vorgesetzte, dass Mitarbeiter gekränkt sind und augenscheinlich keinen Weg herausfinden aus ihrem sich verletzt fühlen, dann sollten sie so rasch wie möglich versuchen, ein Gespräch mit den Gekränkten zu führen. Mit dem Ziel, dass die Mitarbeiter die für sie kränkende Situation zumindest nach einer gewissen Zeit aus einer veränderten Position heraus betrachten und sich dadurch eventuell anders verhalten können.

Kränkungen haben meist eine Vorgeschichte, die oft weit zurück liegt. Schieben wir die seelischen Verletzungen über Jahre hinweg immer wieder auf die Seite und nehmen sie nicht ernst, dann können uns selbst Situationen, die für andere völlig harmlos sind und von ihnen locker weggesteckt werden, tief treffen und kränken und dies jedes Mal mehr und heftiger.

Kränkungen können auch eine Chance für uns sein. Unsere berufliche Degradierung ist zwar sehr schmerzhaft und wir schämen uns dafür und der Kommentar unseres Vorgesetzten zu unserer Teamarbeit war alles andere als erfreulich. Dennoch sind wir immer noch wir: Wir – mit all unseren einzigartigen Stärken und mit unseren Schwächen und mit unseren ganz persönlichen Interessen und Erfahrungen.

Checkliste

 

1.) Dass wir uns gekränkt fühlen am Arbeitsplatz kann vielfältige Ursachen haben: Umstrukturierungen im Betrieb verändern unseren gewohnten Arbeitsplatz und die Arbeitszeiten. Der neue Chef oder die neue Chefin sind der berühmte neue Besen und fegen besonders gut, wenn auch nicht unbedingt dort, wo es notwendig wäre. Die Arbeit im Team machen wir, das Lob dafür heimsen andere ein. Wir sind empört, wütend und enttäuscht über die Vorgesetzten und die Kollegen.

2.) Kränkungen am Arbeitsplatz können dazu führen, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich in sich zurückziehen, Dienst nach Vorschrift machen und Leistung und Zuverlässigkeit des Teams darunter leidet oder dass Vorgesetzte die Zügel straffer anziehen als erforderlich.

3.) Wie wir mit unangenehmen Situationen im Beruf umgehen, hängt unter anderem von unserem Selbstwertgefühl ab. Haben wir ein gesundes Selbstwertgefühl und kennen wir unsere Grenzen und unsere Ängste, dann können wir mit uns kränkenden Situationen anders umgehen, als jemand der ängstlich ist und unsicher im Umgang mit anderen.

4.) Mit Kränkungen umgehen lernen heißt, sich mit der Vorgeschichte der Kränkungen zu befassen, sich eventuell dafür Hilfe zu holen bei Freunde, Familie, Therapeuten oder einem Coach um dann in heutigen Situationen ruhiger und gelassener zu reagieren als früher.

5.) Kränkungen können im Wortsinn krank machen. Etwa, wenn wir es nicht schaffen, unseren Ärger loszuwerden. Ein offenes Wort seitens des Gekränkten an den Kränkenden, der seine Aussage oder sein Verhalten möglicherweise gar nicht kränkend gemeint hat, kann verhindern, dass sich der Ärger in uns festsetzt und wir am Ende daran erkranken.

Tipps zum Lesen

 

Salcher, Andreas: Der verletzte Mensch, 2009 (8. Auflage), Ecowin Verlag, ISBN: 9783902404695

Wardetzki, Bärbel: Nimm’s bitte nicht persönlich, 2012 (5. Auflage), Kösel Verlag, ISBN: 9783466309702

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