Unser blinder Fleck

Wenn wir miteinander kommunizieren, dann informieren wir uns gegenseitig, regen uns dazu an, bekannte Sachverhalte neu und anders zu sehen oder wir tauschen uns aus über Klatsch und Tratsch. Manchmal gehen wir einen Schritt weiter und lassen uns von unseren Freunden unserer Familie – oder von unseren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen – sagen, welchen „blinden Fleck“ wir haben. „Blinde Flecken“ das sind beispielsweise Vorurteile, die wir im Gespräch immer wieder äußern ohne dass sie uns bewusst sind. „Blinde Flecken“ können auch uns eigene Gewohnheiten sein, die wir nicht wahrnehmen oder uns unbekannte Stärken und Schwächen. Gespräche über das Unbekannte, über die „blinden Flecken“ in uns wünschen wir uns und fürchten uns gleichzeitig davor. Schließlich wissen oder ahnen wir, dass unsere Gegenüber Stärken und Schwächen bei uns sehen können, die wir nicht erkennen oder nicht erkennen wollen.

Mit dem „blinden Fleck“ beschreiben Therapeuten und Coaches unsere Ängste, unserer inneren Konflikte, unsere Charakterzüge und nicht zuletzt unsere Fähigkeiten, die uns nicht präsent sind oder die wir ins Unterbewusstsein verdrängen oder verdrängt haben. Statt z. B. unsere Stärken zu sehen und zuzulassen, drücken wir sie lieber in den „blinden Fleck„ in uns. Ein ernst gemeintes Lob tun wir damit ab, dass unsere Arbeit oder unsere Herangehensweise an eine Herausforderung doch normal und nichts besonderes sei. Für unsere Weiterentwicklung im Beruf und für den nächsten Karriereschritt kann dies hinderlich sein.

Gehen wir einmal davon aus, dass wir mit Hilfe unserer Freundinnen und Freunden unsere „blinden Flecken“ anschauen und unter anderem unsere Stärken und Schwächen. Vermutlich werden wir verblüfft feststellen, dass wir viele Stärken haben, von denen wir nichts wussten oder die wir bislang als unbedeutend eingestuft haben. Vermutlich wird uns auch die eine oder andere Schwäche bewusst, die bislang nicht Teil unseres Bewusstseins war oder die wir hübsch in unserem „blinden Fleck“ versteckt haben. Das Sehen mit den Augen der anderen hilft uns, uns selber klarer und konturenreicher zu sehen und uns damit die Chance zu ermöglichen, unsere Stärken schätzen zu lernen und unsere Schwächen als Anregung zu verstehen, uns weiter zu entwickeln. Im Beruf wie im Privaten.

Checkliste

 

1.) Das Bild des „blinden Flecks“ kommt aus der Augenheilkunde. Stark vereinfacht ausgedrückt ist es der Bereich im Auge, wo es keine Empfangszellen für das einfallende Licht gibt, weil dort der Sehnerv austritt und wir deshalb an dieser Stelle nichts sehen können.

2.) Wir glauben, wir kennen uns gut. Mit einem Experiment lässt sich herausfinden wie gut. Wir laden unsere Partnerinnen und Partner, unsere Freundinnen und Freude dazu ein, eine Liste mit den zehn Fähigkeiten zu verfassen, die wir selbst und die die anderen als diejenigen ansehen, die uns auszeichnen. In den allermeisten Fällen unterscheiden sich die Ergebnisse zwischen ihnen und uns stark voneinander. Unsere Freundinnen und Freunde sehen uns mit realistischeren Blick und wissen um Eigenschaften, für die wir bislang blind sind. Akzeptieren wir diese, dann haben wir den ersten Schritt hinter uns, uns noch besser kennen zu lernen und uns weiter zu entwickeln. Manchmal reagieren wir mit Angst oder Abwehr auf das Experiment. Wir können dies als weitere Aufforderung an uns verstehen, doch mit Hilfe unserer Umgebung genauer bei uns hinzuschauen.

3.) Frauen tendieren häufiger als Männer dazu, die eigenen Stärken zu verdrängen. Sie sehen mehr ihre Schwächen. Dahinter steckt vielfach der Wunsch, möglichst nicht aufzufallen, möglichst Teil einer (Mädchen-) Gruppe zu sein und nicht eine selbstbewusste Frau darzustellen, die weiß, was sie kann und will und die innerlich unabhängig ist vom Gruppenzwang.

4.) Der „blinde Fleck“ ist Teil des sogenannten „Johari-Fensters“ (1955), dass die Sozialpsychologen Joseph (Jo) Luft und Harry (hari) Ingham entwickelt haben. Mit ihrem Modell versuchen die beiden uns zu verdeutlichen, dass es Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung gibt.

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