„Die Heiligen“ im Büro

Eigentlich schien alles auf dem richtigen Weg. Nach langen und teilweise kontroversen Diskussionen zeichnet sich im Team ein Kompromiss ab. Offenbar wollen ihn alle mittragen. Unerwartet kommt dann von dem bislang schweigenden und vor sich hinlächelnden Kollegen oder der stillen, häufig kopfnickenden Kollegin ein Kommentar, der die gesamte Arbeit der Kolleginnen- und Kollegen in Frage stellt. Vorgetragen mit einem feinen Lächeln und netten Worten, die den Inhalt ihrer Sätze konterkarrieren. Wäre der Hinweis der „Heiligen“ zu Beginn der gemeinsamen Gesprächsrunde gekommen, hätte er die Arbeit des gesamten Teams befruchtet. Am Ende der Verhandlungen zerstört er die Zusammenarbeit im Team und die der Kolleginnen und Kollegen untereinander.

Was bringt „die Heiligen“ dazu, sich so zu verhalten? Weshalb geben sie sich nach außen den Anschein, Teil eines Teams zu sein und mitarbeiten zu wollen, um dann genau das Gegenteil zu bewirken, dies offenbar auch anzustreben und sich scheinheilig hinter ihrer von ihnen vorgetäuschten Mitwirkung im Team zu verstecken? Und dabei ihre mit gesetzten Worten vorgetragenen destruktiven Ausführungen mit einem Lächeln zu unterstreichen? Was bringt sie dazu, sich die Maske der Freundlichkeit aufzusetzen, um sich damit zu tarnen?

Ihr Verhalten kann unterschiedliche Gründe haben. Oft verbirgt sich dahinter der Wunsch, sich mehr zur Geltung zu bringen, als es ihnen im beruflichen Alltag möglich ist. Ihre „Heiligkeit“ macht sie unangreibar und schützt sie vor Kritik und Anforderungen ihres Teams und ihrer Vorgesetzten. Sie zeigen sich über allem erhaben. In Wirklichkeit nutzen sie die Rolle der „Heiligen“, um Macht auszuüben. „Heilige“ im Team sind außerdem oft davon überzeugt, sie seien besser als die anderen und würden auch so von ihren Vorgesetzten gesehen und eingeschätzt werden. Und sie erhoffen sich, selbst kompetenter zu wirken, wenn sie ihr Gegenüber vorführen.

Kennen Sie das? Genau. Von uns selbst. Denn in jedem von uns steckt ein Stück eines solchen „Heiligen“, einer solchen Heiligen, mal mehr mal weniger ausgeprägt und jeweils von der Situation abhängig. Wir alle kommunizieren immer mal wieder mit einem falschen Lächeln, rollen die Augen, wenn es keiner sieht, krausen die Stirn oder schicken einen theatralischen Blick in den Himmel. Oder wir genießen es, mit einem einzigen destruktiven Satz eine gesamte Gesprächsrunde aufzumischen.

Was tun? Vielleicht mit Humor unsere eigene „Heiligkeit“ erkennen und „echt“ über uns zu lächeln. Dann finden wir auch Strategien, mit den ständig „Heiligen“ im Team umzugehen.

Checkliste

 

1.) Die „Heiligen“ im Team sind manchmal schwer zu entdecken. Sie heucheln Betroffenheit vor, wenn es anderen schlecht geht und schlagen sich auf deren Seite. Vorausgesetzt, sie schaden sich nicht selbst damit, sondern sie können sich dabei gleichzeitig in ein gutes Licht stellen oder sogar davon profitieren.

2.) Heilige lassen sich zu „normalen“ Mitarbeitern umformen, wenn ihnen mit Freundlichkeit begegnet wird, ohne dabei privat zu werden. Wenn sie genau die Information bekommen, die sie für ihre Arbeit brauchen, jedoch nicht mehr. Und wenn sie in Teamsitzungen von Anfang direkt angesprochen werden und ihre aktive Beteiligung von allen eingefordert wird.

3.) Das Zauberwort „konkret“, das viele Diskussionen von nebulösen Hinweisen und Sätzen wie „das haben wir doch immer schon so gemacht“ befreit, kann auch bei „Heiligen“ sinnvoll sein. Gefragt, was sie konkret meinen, wie sie sich mit ihrer Kompetenz konkret an den gestellten Aufgaben beteiligen können, zwingt „Heilige“ manchmal dazu, ihre Maske abzulegen.

4.) Nicht immer sind die genannten Strategien gegenüber „Heiligen“ zielführend. Dann können Führungskräften versuchen, die Arbeit der „Heiligen“ so genau wie möglich zu definieren und stetig zu überprüfen und zu korrigieren.

 

Tipps zum Lesen

Druyen, Thomas: Krieg der Scheinheiligkeit, 2012, Maxlin Verlag, ISBN: 9783981414141

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