Gegenwehr

„Sie kommt in mein Büro, fängt sofort an zu reden, legt mir dabei einen Stapel Akten auf den Tisch, umkreist meinen Schreibtisch, schaut auf meinen Bildschirm und ehe ich etwas sagen oder fragen kann, ist sie wieder verschwunden.“ Für Katharina T., Büroleiterin in einem großen Steuerbüro ist die Arbeit mit der neuen Wirtschaftsprüferin eine „Berg- und Talfahrt, die so rasant abgeht, dass ich gar nicht so schnell reagieren kann.“ Dabei, so sagt sie, sind die rasch herausgeschleuderten Argumente ihrer Chefin selten hilfreich, die Akten meist unvollständig und die darin dokumentierten Vorgänge nur mäßig bearbeitet. „Ich ärgere mich, dass ich in den Momenten nicht schlagfertig bin. Immerhin kenne ich ihr Verhalten nun schon eine Weile. Sie macht das komischerweise nicht immer, dafür immer wieder.“

Katharina T. versuchte in der Beratung zu lernen, wie sie dem überfallartige Verhalten der Vorgesetzten etwas entgegnen setzen kann. Sie trainierte als erstes ihre Körpersprache gegenüber der Angreiferin. Inzwischen steht sie beispielsweise ganz langsam und freundlich lächelnd auf und versucht Blickkontakt mit ihrer Chefin herzustellen. Damit begibt sie sich auf die gleiche Höhe mit ihr und nimmt den gleichen „Hochstatus“ ein. Gleichzeitig versperrt sie ihrer Vorgesetzten den Weg um ihren Schreibtisch herum. Damit verhindert sie, dass ihre Chefin in ihre sogenannte Sicherheitsdistanz eindringt. Hierzulande beträgt diese ca. eine Armlänge um den eigenen Körper herum, also etwa 65 – 80 cm. In anderen Kulturen kann sie größer oder kleiner sein. Familienmitglieder, Freunde und geschätzte Kollegen und Vorgesetzte lösen beim „Betreten“ der Sicherheitsdistanz keine Flucht- oder Angstreaktionen aus. Während Fremde und Mitmenschen mit dem ‚Einfall’ in die Sicherheitszone Stressreaktionen hervorrufen, die das Gehirn dazu bringen, das Programm „nur noch wegrennen“ anzuschalten und nicht die Alternative „das schaffe ich, das setzt mich nicht unter Druck.“ Durch ihr langsames Aufstehen in den ‚Hochstatus‘ versucht Katharina T., ihre Stressreaktionen zu verlangsamen oder zu verhindern.

Das Erarbeiten des „zweiten Wegs war anstrengender.“ Mit Hilfe von „Familie und Freunden“ übte sie immer wieder sogenannte Brücken- oder Standardsätzen wie „Moment, ich bin gleich für Ihre Ausführungen offen“ oder „Ihre Ausführungen interessieren mich. Was meinen Sie konkret?“. Mit diesen Sätzen geht sie nicht mehr auf die Angriffe ihrer Vorgesetzten ein, sondern tritt einen Schritt zur Seite und veranlasst ihr Gegenüber, ihre Position aufzugeben und einen neuen Angriff zu planen oder den Schauplatz zu verlassen. „Unser Verhältnis hat sich dadurch nicht gebessert. Ich bin jedoch entspannter und mein Selbstbewusstsein wird nicht jedes Mal von ihr untergraben. Außerdem setzte ich mehr und mehr meine Positionen durch und das mit zunehmender Gelassenheit.“

Checkliste

 

1.) Sogenannte ‚Kampfdialektiker‘ versuchen, mit Kampfmethoden ihre schwächere Positionen gegenüber stärkeren durchzusetzen. Überfallartig greifen sie Kollegen, Mitarbeiter oder den Vorgesetzten an, dringen in die Sicherheitszone des Gegenübers ein, werten pauschal den anderen ab und versuchen, mit lautem Türenknallen und heftigen verbalen Angriffen ihren Gesprächspartner aus dem Konzept zu bringen und sich so einen Vorteil zu verschaffen.

2.) Mögliche Strategie gegen verbale Angriffe sind ein Training der Körpersprache und das Erarbeiten von Brückensätzen. Brückensätze sind zum Beispiel Sätze wie (siehe www.redewelt.de): „Sie sprechen hier einen interessanten Punkt an…“, Ihre Ausführungen zeigen mir, dass mein Grundgedanke noch nicht deutlich geworden ist…“, „Als Fachmann /-frau können Sie mir sicher raten…“

3.) Überfallartige verbale Angriffe sind dann besonders zielführend, wenn der Angreifer spürt, dass das Selbstvertrauen seines Gegenübers leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. ‚Der Angreifer sucht sich den Schwächeren‘ (siehe Albert Thiele: ‚Nicht mit mir‘). Glaubenssätze, die seit früher Kindheit das Verhalten beeinflussen, wie „ich bin nicht gut genug“, „die anderen sind mir überlegen“ unterminieren das Selbstbewusstsein. Die moderne Hirnforschung weiss inzwischen, dass sich negative Glaubenssätze allmählich abschwächen oder manchmal sogar auflösen lassen, wenn versucht wird, sie durch positive zu ersetzen, wie zum Beispiel: „ich schaffe das“, „ich habe Wichtiges zu sagen und alle hören mir zu“. Vorausgesetzt, die ‚neuen‘ Glaubenssätze werden regelmäßig trainiert und immer wieder in der Praxis erprobt. Am Ende auch gegenüber dem ‚Kampfdialektiker‘.die Wertschätzung für ihr Können, ihr Wissen und ihre Flexibilität erwarten können.

Tipps zum Lesen

Thiele, Albert: „Nicht mit mir!, Kampfdialektik abwehren“, managerSeminar, Heft 201, Dez. 2014

www.redenwelt.de

www.akademie.de/wissen/schlagfertigkeit-lernen/standardsaetze

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