Mein Rucksack und ich

Was führen die rucksacktragenden Menschen alles mit sich, deren Rucksäcke mich machmal mit Schwung erwischen, wenn ich ihnen morgens oder abends im Zug oder Bus begegne? Die meisten ‚backpacks’ scheinen weniger ein Bestandteil eines Urlaubsgepäcks zu sein, als vielmehr praktische Accessoires für Menschen, die zur Arbeit fahren. Das lassen jedenfalls ihre Kleidung und ihre Schuhe vermuten. Umso neugieriger machen mich ihre Rucksäcke, die machmal prall gefüllt sind. Ich möchte zu gerne einmal hineinschauen und sehen, was sich im Inneren der praktischen Transportutensilien befindet. Vermutlich elektronische Geräte wie Laptops, vermutlich auch die Verpflegung für einen langen Arbeitstag oder sind es ganz andere Dinge?

‚Rucksäcke‘ sind auch Mitwirkende bei Forschungsprojekten: Wissenschaftler um die Psychologin Maryam Kouchaki (Journal of Experimental Psychology) von der Harvard University wollen in einem Experiment herausgefunden haben, dass Menschen, die sich schuldig fühlen, ihre Schuld stärker empfinden, wenn sie einen schweren Rucksack auf dem Rücken tragen und sie sich dadurch als belasteter wahrnehmen, als nur mit ihrem eigenen Körpergewicht. Gleichzeitig waren die Versuchspersonen mit einem massigen Rucksack auf dem Rücken ehrlicher und gewissenhafter, wenn sie dabei bestimmten Versuchungen ausgesetzt waren. Das Experiment, so die Forscher, zeigt, dass wir mit unserem Körper bewusst unsere Emotionen beeinflussen können. Wenn wir uns z. B. gerade und aufrecht durch unseren Alltag bewegen, werden wir uns selbstsicherer fühlen als bei einer eher zusammengezogenen Haltung mit hochgezogenen Schultern.

Manchmal denke ich, im Rückengepäck stecken nicht nur reale, sondern auch virtuelle Päckchen wie ‚Verantwortung bei der Arbeit‘, ‚Sehnsucht nach neuen Aufgaben‘, ‚Anerkennung im Beruf‘, ‚Ideen und Träume‘ und das gemeinsame Arbeiten mit den Kolleginnen und Kollegen ohne Angst vor Neid und Eifersucht.

Was würde passieren, wenn wir neben den realen auch einmal die vielen virtuellen Päckchen aus unseren ‚Rucksäcken‘ auspacken, die wir manchmal Zeit unseres Lebens mit uns herumtragen, in Ruhe ansehen und uns fragen, welche Päckchen brauchen wir heute noch konkret? Welches davon ist hilfreich und welches belastet und beschwert uns viel zu lange? Oder umgekehrt, wenn wir uns für kritische Situationen, die uns bedrängen, einen Rucksack mit lauter virtuellen Päckchen packen, die uns unterstützen und dafür sorgen, dass wir unsere Bodenhaftung behalten, statt sie beim nächsten Angriff des Kollegen oder des Vorgesetzten sofort zu verlieren?

‚Jeder hat sein Päckchen zu tragen‘, sagt ein Sprichwort. Kennen wir unsere Päckchen im Rucksack und wissen wir, was sie mit uns machen und wie sie unsere Gefühle beeinflussen, dann können wir bewusst damit umgehen.

 

Checkliste

 

1.) Das Bild eines virtuellen Rucksackes kann uns helfen, uns zu fragen, was wir mit uns herumtragen und ob wir alle diese ‚Dinge‘ brauchen. Wie zum Beispiel die Überzeugung, wir seien nicht gut genug.

2.) Umgekehrt können wir in unseren virtuellen Rucksack all die ‚Dinge‘ hineinpacken die wir benötigen, um in unserem Beruf für uns zufriedenstellend zu arbeiten. Zum Beispiel, dass wir okay sind, so wie wir sind.

3.) Vielleicht erinnern die Rucksäcke ihre Träger auch an den letzten Urlaub in freier Natur oder die letzte Radtour, bei denen berufliche Herausforderungen keine Rolle spielten. Rücksäcke wären dann im Alltag Vermittler zwischen Arbeit und Freizeit und Symbol für die Sehnsucht nach Unabhängigkeit.

4.) Die niederländischen Sprichwörter‘ oder ‚Die flämischen Sprichwörter‘ ist ein bekanntes Ölgemälde Pieter Bruegels des Älteren. Das 1559 entstandene Werk enthält über 100 niederländische Sinnsprüche und Redewendungen, darunter auch ‚Das Päckchen tragen‘. Heute befindet sich das Bild in der Gemäldegalerie der staatlichen Museen zu Berlin (Stiftung Preußischer Kulturbesitz), http://de.wikipedia.org/wiki/Die_niederländischen_Sprichwörter. (Nr. 58 im Bild)).

Tipps zum Lesen

Kouchaki, Maryam; Gino, Francesca; Jami, Ata, Journal of Experimental Psychology: General, Vol 143(1), Feb 2014, S. 414-424. http://dx.doi.org/10.1037/a0031769

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