Verdammt, tut das weh…

„Weshalb regt mich sein Tonfall so auf?“ Kopfschüttelnd beschreibt Rainer T., wie sein Chef mit ihm spricht, wenn er ihn kritisiert. „Inhaltlich kann ich mitgehen, wenn er mich auf einen Fehler hinweist. Weh tut mir seine herablassende Art und das geht dann richtig tief“, beschreibt der Immobilienfachmann seine berufliche Situation und zeigt dabei auf die Mitte seines Körpers. Nachdem er „zu lange“ unter dem respektlosen Verhalten seines Vorgesetzten gelitten hat, will er in der Beratung herausfinden, was er tun kann, damit „ich mich nicht jedes Mal so grundlegend in Frage gestellt fühle“.

Am Ende verbucht Rainer T. die Beratung für sich aus zwei Gründen als erfolgreich: er hat erfahren, dass sich ein gegenseitiges respektvolles Verhalten im Beruf bis zu einem gewissen Grad vom anderen ‚einfordern’ lässt, und dass er selbst viel dafür tun kann, damit ihn der mangelnde Respekt eines anderen weniger stark verletzt.

Im ersten Schritt trainierte er, seine Stärken wahrzunehmen und zu respektieren. Vor allem jedoch, sie nach außen selbstverständlich selbstbewusst zu zeigen und sich nicht hinter Sätzen wie ‚das kann doch jeder‘ zu verstecken. „Mein Chef kann mich nach wie vor nicht loben, immerhin nickt er immer häufiger zustimmend mit dem Kopf, wenn ich ihm verbalisiere, wie ich die mir gestellten Herausforderungen angepackt habe.“ Inzwischen fällt es Rainer T. auch leichter, sich so zu akzeptieren wie er ist. „Das war mit der schwierigste Schritt für mich“, sagt Rainer T., „zu erkennen, dass es auch etliche Schwächen bei mir gibt.“

Mittlerweile versucht er, wann immer es ihm möglich ist, anderen Menschen so respektvoll wie möglich zu begegnen. „Wenn mir das schwer fällt, dann versuche ich, mich in die Situation meines Gegenübers hinein zu versetzten.“ Dabei hilft ihm – nicht nur in der Phantasie, sondern in der Realität – die Perspektive zu wechseln. Z. B., in dem er sich auf einen anderen Stuhl setzt und sich bemüht, die Sicht der Vorgesetzten oder der Kolleginnen und Kollegen einzunehmen. „Oft verstehe ich dann die Situation der anderen besser, vor allem kann ich mich und mein Verhalten leichter einordnen.“

Kleinere und größere Konflikte gehören weiterhin zum Alltag von Rainer T. wie das gönnerhafte Sprechen seines Chefs. Tief verletzt fühlt er sich dadurch nicht mehr. „Ich habe gelernt, mich zu respektieren wie ich bin, ebenso meinen Chef und meine Kollegen wie sie sind.“

Checkliste

 

1.) Hinter einem respektlosen Verhalten eines Menschen steckt oft eine verunsicherte Persönlichkeit oder jemand, der vor allem auf sich selbst konzentriert ist und wenig von anderen wahr nimmt oder wahr nehmen will.

2.) Sich respektvoll zu verhalten heißt nicht, zu allem ja zu sagen und allem und jedem zuzustimmen. Respektvoller Umgang mit anderen bedeutet, sich fair gegenüber dem anderen zu verhalten, auch mal unbequeme Meinungen zu äußern, unbeliebte Entscheidungen zu treffen oder Nein zu sagen, auch wenn es dafür wenig Beifall von den anderen gibt.

3.) Pünktlich zu Meetings zu kommen, zu zuhören, wenn der andere spricht, die anderen sachlich über anstehende Fragen, Entscheidungen und Ergebnisse zu informieren, zu loben und Komplimente zu machen, wenn es angebracht ist, gehören weiterhin zu einem respektvollen Verhalten.

4.) Das Sprichwort, wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus ‚ist seit dem Mittelalter belegt: So schrieb schon der Dichter Freidank (gestorben 1233): ‚Swie man ze walde rüefet, dazselbe er wider güefet’‘. Gegenseitiger Respekt war damals augenscheinlich ebenso wesentlich für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten wie heute.

Tipps zum Lesen

Jarosch Anna A., Müller, J.: Etwas mehr Respekt bitte!, VNR Verlag, Verlag für die Wirtschaft 2012, ISBN: 9783812516884

Zitat Dichter Freidank: redensarten-Index

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