Fragen fragen!

‚Warum kommst Du so spät‘? Wie viele Male diese Frage auf der Welt schon gestellt wurde, das kann vermutlich niemand beantworten. Wie es uns damit geht, nach dem ‚warum‘ unseres Zuspätkommens gefragt zu werden, das können wir schon eher sagen. Viele Menschen empfinden eine bohrende Frage, die mit ‚warum‘ beginnt, als Angriff und reagieren entsprechend. Erst recht dann, wenn sie in einem herrischen Ton vorgetragen wird. Hören wir stattdessen die nur informative Frage ‚weshalb kommst Du zu spät‘, sind wir eher geneigt, ruhig und gelassen die Gründe für unsere mangelnde Termintreue zu benennen.

Abhängig von der Art der Frage und dem Ton, in dem sie gestellt werden, können uns Fragen herausfordern und zu völlig neuen Ideen und Wegen führen oder uns in die Defensive drängen und zu Floskelantworten verleiten. Wissen Führungskräfte um die Macht der Fragen und um ihre Auswirkungen auf ihr Gegenüber, dann können sie dieses kraftvolle Instrument wirksam für das Unternehmen und für die eigene Arbeit nutzen. Verkürzt ausgedrückt haben sie zwei Möglichkeiten, mit Fragen die Informationen von ihren Mitarbeitern zu bekommen, die für sie wichtig sind. Sogenannte offene oder W-Fragen wie ‚weshalb, wieso, wodurch, wann, welche‘ laden den Befragten eher dazu ein, Informationen zu geben und damit Grundlagen für Entscheidungen zu liefern als geschlossene Fragen, die mit einem Ja oder ein Nein zu beantworten sind. Stellt eine Führungskraft ihre Fragen in einen persönlichen Kontext, der eine Ich-Botschaft enthält wie ‚neulich habe ich auf einem Kongress gehört, dass…‘, und untermalt ihre Ausführungen mit eigenen Gedanken und Ideen, dann entspannt sich häufig ein sachlich-fundierter Dialog, der beide Seiten befriedigt und zielführend ist.

Neben dem Inhalt der Frage ist auch der berühmte Ton, der die Musik macht, wichtig für den Erfolg einer Frage. Tragen Führungskräfte ihre Fragen in unsicherem Ton oder in ironischer Art und Weise vor oder zeigen sie mit Gestik und Mimik, dass sie dem Mitarbeiter sowieso nicht trauen, dann sind selbst die bestformulierten W-Fragen meistens wirkungslos. Ebenso unwirksam sind schnell hintereinander abgeschossene Fragen, die den Befragten unter Druck setzen und ihm das Gefühl geben, er säße in einem Verhör und nicht in einer Besprechung.

Fragen sind Führungs- und Machtinstrumente, das wissen bereits Kinder. Sie fragen, weil sie neugierig sind, weil sie ihre Perspektiven erweitern möchten und manchmal auch, weil sie wissen, dass sie uns Erwachsene damit so richtig aus der Ruhe bringen können.

Checkliste

 

1.) Führungskräfte üben über Fragen – und über Nichtfragen – Macht aus. Setzen sie gut formulierte und zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort gestellte Fragen zielführend ein, dann können sie damit Mitarbeiter motivieren.

2.) Offene oder W-Fragen sind meistens hilfreicher in einem Gespräch als geschlossene Ja-Nein-Fragen, außer, es ist eine schnelle Entscheidung erforderlich oder in einer Abstimmung.

3.) Werden Fragen als Machtinstrument missbraucht, etwa wenn sie sehr direkt, schnell und mit hohem Druck vorgetragen und damit als Angriff empfunden werden, dann ziehen sich viele Mitarbeiter zurück, verhalten sich nur noch regelkonform oder unterwürfig und behalten jede Information, nach der sie nicht gefragt werden, für sich.

4.) Viele Mitarbeiter fühlen sich bei Fragen ihrer Vorgesetzten ausgefragt oder gar wie bei einem Verhör. Beobachten Führungskräfte dies, dann können sie die zu stellenden Fragen mit persönlichen Aussagen und Ich-Botschaften verbinden und gegebenenfalls auch Antworten des Gegenübers wiederholen und bestätigen mit Worten wie: ‚ja, so habe ich es auch verstanden‘. Im Laufe der Zeit fassen Mitarbeiter dann meistens Vertrauen und antworten umfassender und aussagekräftiger als zuvor.

5.) ‚Wer fragt, führt‘ ist ein wichtiger Satz im Management oder umgekehrt: ‚wer führt, der fragt‘. Und Jeff Bezos, Gründer und Präsident von Amazon meinte mit seinem berühmten Satz „don’t blame the people, blame the process“, dass wir nicht danach fragen sollten, „warum wir dies so gemacht haben?“, sondern „weshalb ist das so?“.

Tipps zum Lesen

 

managerSeminare: Die Macht der Fragen, Heft 119, Februar 2008

Patrzek, Andreas: Fragekompetenz für Führungskräfte, 2013 (6. Auflage), Rosenberg Fachverlag, ISBN: 978-3931085414

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