Kollegen als Freunde?

„Hätte ich geahnt, wie das alles ausgeht, hätte ich es anders gemacht. Wir haben hier zwei Jahre lang unsere Ausbildung zum Fachwirt Call Center gemacht, und uns ziemlich schnell miteinander angefreundet, und kaum sind wir fertig, ist sie plötzlich meine Teamleiterin und hat unsere Freundschaft beendet.“ Tamara S. und ihre jetzige Chefin haben früher jede freie Minute bei der Arbeit miteinander verbracht und viele Abende privat. „Andere Kolleginnen und Kollegen hatten kaum Chancen, uns mal allein in der Mittagspause anzutreffen“. Heute bekommt Tamara S. von ihrer ehemaligen Freundin Arbeitsaufträge und Anweisungen. „Gespräche über unsere früheren Themen wie Beziehungen, Freunde, Familie sind inzwischen völlig tabu“.

Wenn die Statistiker richtig liegen, dann verbringen etwa 40% der Arbeitnehmer zumindest hin und wieder ihre Freizeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen. Oft genug entstehen daraus Freundschaften oder Partnerschaften. Solange sie keinen negativen Einfluss auf die Zusammenarbeit im Beruf haben oder im Gegenteil, das Betriebsklima fördern, werden derartige Beziehungen von Unternehmen und Führungskräften gerne gesehen. Schwierig wird es, wenn ein zu enger privater Kontakt verhindert, dass Probleme und Konflikte offen angesprochen oder Fehler vertuscht werden. Problematisch kann es auch werden, wenn sich zwei miteinander befreundete Kollegen um die gleiche Position bewerben. Oder wenn sich, wie bei Tamara S., die Rollen ändern und einer der beiden den anderen beruflich überholt. Neidgefühle und Missgunst können sich dann zerstörerisch auf die Freundschaft und auf das berufliche Miteinander auswirken. Wollen beide die Freundschaft nicht gefährden, sollten sie offen miteinander sprechen. Nicht zuletzt darüber, dass Führung unter anderem auch heißt, nicht alles mit dem Freund, der Freundin bereden zu können und zwischendrin unangenehme Entscheidungen treffen zu müssen.

Klarheit und ein offener und ehrlicher Umgang miteinander sind keine Garanten dafür, dass Freundschaften ohne Schwierigkeiten bleiben, wenn sich befreundete Kollegen innerhalb ihres Unternehmens verändern und neue Positionen einnehmen. Sie helfen jedoch, Konflikte schneller zu erkennen und zu bewältigen. Tamara S. hat inzwischen erkannt, dass in der aktuellen Situation ein gewisser Abstand zwischen Vorgesetzter und Mitarbeiterin unvermeidlich sein kann. Sie hat das Gespräch mit ihrer Chefin gesucht und dabei erfahren, dass sich ihre ehemalige Freundin nicht getraut hatte, ihr von dem geplanten Aufstieg zu erzählen. „Ich bin zwar menschlich von ihr enttäuscht, aber habe inzwischen Verständnis dafür. Jetzt achte ich darauf, dass ich zu möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen Kontakt habe. Beim Mittagessen setze ich mich auch mal an einen Tisch, an dem ich keinen kenne. Privates lasse ich inzwischen zu Hause. Im Betrieb drehen sich jetzt die Gespräche um Fußball, Wetter und Urlaub und ab und an um die Kinder.“

Checkliste

 

1.) Mit Kolleginnen und Kollegen verbringen die meisten von uns den größten Teil ihres Tages. Mehr als mit ihren Familien oder Partnern. Oft genug entwickeln sich daraus Freundschaften, die über den beruflichen Kontakt und Alltag hinausgehen. Sie können das berufliche Miteinander fördern und sich produktiv auswirken.

2.) Schwierig werden Freundschaften unter Kolleginnen und Kollegen, wenn sie zu Konkurrenten werden. Z. B. um das gleiche Projekt, die gleiche Position oder um ein neues Büro. Wenn die Freundschaft nicht gefährdet werden soll, sind hierbei Offenheit und Klarheit gefordert. Manchmal kann eine Führungskraft dabei vermittelnd einwirken.

3.) Gerade bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes in ein neues Unternehmen oder beim Umzug in eine andere Stadt oder Region sind wir gerne bereit, auch privaten Kontakt zu unseren neuen Kolleginnen und Kollegen zu suchen. Dennoch empfiehlt es sich, erst einmal zurückhaltend bei privaten Dingen zu sein. Ein guter Smalltalk kann zu netten Bekanntschaften führen und ein angenehmes Betriebsklima schaffen, ohne dass wir unser Gegenüber mit zu vielen privaten Details bedrängen. Daraus können sich dann langsam und behutsam Freundschaften entwickeln.

4.) Empfehlenswert ist es außerdem, zu möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen Kontakt zu haben, auch über Büro- und Abteilungsgrenzen hinaus. Ein Mehr an Informationen ist vermutlich das Ergebnis vieler Kontakte und wahrscheinlich auch ein für uns selbst angenehmes Betriebsklima.

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