Begegnungen

Begegnungen können flüchtig sein. Wir treffen uns auf dem Büroflur, im Bus, an der Tankstelle, in der Werkstatt. Wir können uns Begegnungen herbeisehnen, wie es die britische Rockband Smokei in ihrem berühmten Lied „I’ll meet you at midnight“ tun (Album „Midnight Cafe“). Oder wir inszenieren sie bewusst, etwa, wenn wir uns mit einem Geschäftspartner zu einem vereinbarten Termin treffen. Das Herkunftswörterbuch verrät, Begegnung stammt von dem mittelhochdeutschen Wort ‚entgegenen‘ ab und damit von ‚erwidern, antworten‘. Eine Begegnung lebt vom Gegenwärtigen, vom ‚Augen-Blick‘. Vom Aufeinandertreffen zweier oder mehrerer Menschen in einer bestimmten Situation.

Wenn Begegnung ein „antworten“ auf den anderen sind, dann können wir versuchen, z. B. bei einer beruflichen Verabredung die „Antwort“ unseres Gegenübers auf uns positiv ausfallen zu lassen. Wir begegnen ihm mit einer wertschätzenden und zugewandten Haltung, mit einem offenen und anerkennenden Lächeln und mit freundlichen Gesten. Damit signalisieren wir ihm, dass wir bereit sind für eine fruchtbare und zielführende Beziehung. Wir haben unsere sogenannte professionelle Begegnungskompetenz für das Zusammenkommen mit dem anderen und für uns selbst eingesetzt. Überschreitet unser Gesprächspartner allerdings unsere Grenzen, weil er unsere freundliche Botschaft falsch versteht oder falsch verstehen will, dann sind wir gefordert, unmissverständlich zu reagieren. Mit der Chance, dass wir danach die Begegnung konstruktiv fortsetzen können.

Unsere professionelle Begegnungskompetenz kann uns helfen, auch dann eine professionelle Beziehung zu unserem Gegenüber zu entwickeln, wenn wir feststellen müssen, dass unsere private Sympathie für ihn begrenzt ist. Ausschlaggebend für eine gute berufliche Zusammenarbeit ist, sich gegenseitig zu achten und die Professionalität und die Persönlichkeit des anderen zu respektieren. Übersetzt in den beruflichen Alltag heißt das, uns zu verdeutlichen, dass wir uns im Beruf als Menschen mit bestimmten Rollen, Herausforderungen und Aufgaben begegnen, z. B. als Lehrerkollegen, als Verkäufer und Einkäufer oder als Partner in einem Rechtsanwaltsbüro und nicht als Urlauber am Strand oder beim samstäglichen Tanz in der Disko. In einer größeren Organisation sind zudem die organisatorischen Spielregeln zu berücksichtigen und bei Beziehungen und deren Konflikte mit einzukalkulieren. Treten Beziehungskonflikte in einem Unternehmen auf, etwa weil die Abstimmungsprozesse wenig transparent sind, eine unklare Organisationsstruktur gelebt wird oder Mitarbeiter nur unzureichend wissen, wofür sie zuständig sind, dann nutzt ein Training der professionellen Begegnungskompetenz wenig. Hier hilft nur, die Unternehmensstruktur selbst zu optimieren.

 

Checkliste

 

1.) Kompetent sein in der Begegnung im beruflichen Alltag meint, uns bewusst dem anderen gegenüber zu verhalten und die Begegnung mit ihm möglichst so zu gestalten, dass wir uns die Chance schenken, eine professionelle und zielführende Beziehung zu ihm aufbauen zu können.

2.) Berufliche Beziehungen brauchen keinen fortwährenden persönlichen Kontakt, sie können über große Entfernungen gepflegt werden. Beziehungen zwischen Menschen können kompliziert, krisenhaft, illusionär, problematisch sein oder es kann sogar so weit gehen, dass eine persönliche Beziehung zwischen ihnen gar nicht möglich ist. Doch auch dann noch sind berufliche Begegnungen zwischen den beiden Menschen denkbar, sofern sie von beiden mit professioneller Begegnungskompetenz getragen werden.

3.) Für Beziehungen im Beruf ist es nicht zwingend erforderlich, ob wir uns als private Personen rundum sympathisch finden. Für eine professionelle Beziehung ist es vielmehr ausschlaggebend, dass wir uns verdeutlichen, in welcher Rolle wir auftreten. Als Chef, als Chefin, als Vorstandsassistent oder -assistentin oder als Vorstand und unsere Begegnungen im Berufsalltag und damit unsere professionellen Beziehungen aus dieser Haltung heraus formen. Finden sich zwei Geschäftspartner auch privat sympathisch, ist dies für ihre Begegnungen wahrscheinlich von Vorteil.

Tipps zum Lesen

Schmid, Bernd, Gérard, Christiane, Intuition und Professionalität: Systemische Transaktionsanalyse in Beratung und Therapie, 2008, Carl Auer Verlag, ISBN: 978-3896706492

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