Herr Knigge, Ihr Auftritt bitte!

Was mache ich, wenn mein Chef mich duzen will? Muss ich auf die betriebliche Weihnachtsfeier gehen, auch wenn ich heute schon weiß, dass ich mich dort langweilen werde? Wie stelle ich meinen Partner, meine Partnerin meinen Kollegen und Kolleginnen vor? Und was denken die anderen von mir, wenn ich mich falsch benehme? Der Schriftsteller und Verfasser des Buches ‚Über den Umgang mit Menschen‘ Adolph Freiherr Knigge (1752-1796) hätte vermutlich für jede der Fragen eine Antwort. Allerdings würde er uns nicht konkret sagen, was wir tun müssten, um die Etikette einzuhalten. Denn sein bereits zu seinen Lebzeiten äußerst erfolgreiche Werk war vor allem ein sozialpsychologisches Buch über die Frage, wie wir mit uns selbst und mit anderen umgehen sollen und dies in einem ‚System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind‘. Erst nach seinem Tod entwickelten sich seine psychologischen und literaturgeschichtlichen Überlegungen und Analysen zu dem Benimm-Ratgeber, wie wir heute den ‚Knigge’ verstehen. Freiherr Knigge hätte es uns allerdings zugetraut, dass es uns aufgrund unserer ‚Weltklugheit‘ gelingt, gesellig zu sein, nachgiebig, heiter, kritisch und wachsam uns selbst gegenüber. Darin sah er die Chance, unnötige Konflikte und Missverständnisse zwischen Menschen zu verhindern oder abzumildern.

Was also tun, wenn der Chef das Du anbietet, die Abteilungsleiterin in der Teamsitzung alle zum Duzen auffordert oder der junge Kollege nach einer Woche im Betrieb kommentarlos zum Du übergeht? Heute wäre es für Freiherr Knigge vermutlich problemlos, einander zu duzen, wenn beide Seiten sich darauf verständigen, sich zu vertrauen, ohne dabei zu vertraulich zu werden. Denn das Duzen kann dann zu Schwierigkeiten führen, wenn mit dem Du gleichzeitig Grenzen überschritten werden, klare Absprachen und konstruktive Kritik nicht mehr möglich und Rollen innerhalb der Hierarchie eines Unternehmens außer Kraft gesetzt sind.

Weihnachtsfeier „nein, Danke“? Ja, aber erst nachdem wir dort waren, die Begrüßung der Vorgesetzten und den Rückblick auf das Jahr gehört und mit möglichst vielen Anwesenden geplaudert haben, ganz im Sinne des Freiherrn und seiner ‚Kunst des Umgangs mit Menschen‘. Ein Fernbleiben ohne triftigen Grund empfinden Chefs und Organisatoren als Zeichen dafür, dass wir wenig Interesse an den Menschen und an unserer Arbeit haben. Und wer weiß, vielleicht ist das Gespräch mit dem Kollegen spannender als gedacht und der sonst so nüchtern agierende IT Experte entpuppt sich als fundierter Kenner der aktuellen Comedyszene.

Hände werden hingestreckt und wieder zurückgezogen, dabei verlegenes Lächeln: das sich Begrüßen und sich gegenseitige Vorstellen ist in vielen Situationen alles andere als einfach. Soll ich allen 15 Seminarteilnehmer die Hand schütteln, die im Kreis stehen und miteinander plaudern? Reicht da nicht eher ein freundliches Kopfnicken? Ja, und falls möglich begleitet von einem Guten Tag, dem Name und dem Nennen der Funktion im Unternehmen. Sind weniger als fünf Personen anwesend, dann sollte jedoch ein Händedruck möglich sein: Mitarbeiter grüßen zuerst den Chef, nachdem dieser signalisiert hat, das Händeschütteln sei willkommen. Bei Kunden oder Firmenpartnern heißen Chef und Mitarbeiter den Gesprächspartner willkommen.

Seit der Welt von Johann Wolfgang von Goethe und der französischer Revolution haben sich die Umgangsformen immer wieder verändert. Eines jedoch nicht. Noch immer sind sie Zeichen des gegenseitigen Respekts und weit mehr als reine Etikette.

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1.) Finden Weihnachtsfeiern innerhalb der Arbeitszeit statt, ist die Teilnahme verpflichtend. Bei Abwesenheit ist Urlaub zu beantragen. Ansonsten ist die Teilnahme freiwillig, jedoch empfehlenswert.

2.) Duzen oder Siezen? Heute klingt sein Satz altmodisch. Die Aussage des Freiherrn ist jedoch hochaktuell: “Gar zu leicht missbrauchen oder vernachlässigen uns die Menschen, sobald wir mit ihnen in einem vollkommen vertraulichen Tone verkehren. Um angenehm zu leben, muss man fast immer als ein Fremder unter den Leuten erscheinen.“ Ein Du zwischen Kolleginnen und Kollegen kann die Kommunikation innerhalb eines Betriebs oder einer Abteilung erleichtern. Die anderen duzen zu können, vermittelt das Gefühl des Dazugehörens. Ein ‚Du‘ kann allerdings auch dazu führen, dass Grenzen und Distanzen verschwinden, die ein ‚Sie‘ fast automatisch mit sich bringt. Wichtig ist, dass der zu Duzende entscheidet und dann wertschätzend kommuniziert, ob er ein Du annimmt oder nicht.

Und zwei weitere vielen Zitate von ihm:

„Sei aber nicht gar zu sehr ein Sclave der Meinungen, welche Andere von Dir hegen. Sei selbstständig. Was kümmert Dich am Ende das Urtheil der ganzen Welt, wenn Du thust, was Du nach Pflicht und Gewissen und nach Deiner redlichen Ueberzeugung thun sollst?“

„Über viele Dinge urteilen Kinder, weil bei ihnen noch keine Nebenrücksichten ins Spiel kommen, weit richtiger, als Erwachsene.“

Tipps zum Lesen

www.berufsstrategie.de/bewerbung-karriere-soft-skills/knigge-begruessung-korrekte-anrede.php

www.knigge.de

www.stil.de/knigge-tipps

Adolf Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Menschen, Insel Verlag, ISBN: 9783458344711

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