Orakel von Delphi

Auf die Frage, ob er, Krösus, König von Lydien (590-541 v. Chr.) den Persischen König Kyros II. angreifen solle, antwortete das Orakel von Delphi: Wenn Krösus den Fluss Halys (heute Kizilirmak) übertrete, zerstöre er ein großes Reich. Damit konnte das das Orakel nur das mächtige Persische Reich meinen, dachte Krösus. Er überschritt 546 v. Chr. am Halys die Grenze seines Reiches, attackierte die Perser und scheiterte kläglich. Hätte der als großzügig und reich geltende Herrscher in Kleinasien dem Orakel wirklich zugehört, dann hätte er das Orakel womöglich gefragt, von welchem Reich es spricht und die Geschichte seines Landes und seine eigene wären anders verlaufen. Krösus hatte zwar die Worte des Orakels vernommen, sie jedoch so interpretiert, wie er sie verstehen wollte und überhört, dass das Orakel eine Warnung ausgesprochen hat. Ihm fehlte womöglich die Kunst des „aktiven Zuhörens.

Bis heute haben die 2 500 Jahre alte Worte des Orakel von Delphi für Krösus ihre Aktualität nicht verloren: Wir hören die Sätze unseres Gegenübers und beschäftigen uns derweil in Gedanken mit ganz anderen Dingen, wie zum Beispiel der neuesten Email, die gerade auf unserem Computerbildschirm hereingeflattert ist und nehmen deshalb weder den Inhalt noch die Zwischentöne des Gesagten wahr. Oder wir überlegen, während wir hören, was wir jetzt selbst gleich sagen werden. Welche Geschichte wir erzählen werden, welchen Diskussionsbeitrag wir machen oder welche Kritik wir im nächsten Moment üben werden. Das Gesagte des anderen interessiert uns dabei wenig oder gar nicht. Oder wir benutzen seine Worte dafür, uns in unserer längst feststehenden Meinung zu bestärken. Dies hat vermutlich Krösus getan. Wir reden, wir reden miteinander, manchmal auch übereinander und nur selten hören wir dem anderen aktiv zu. Dabei ließen sich so manche Schwierigkeiten zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten, zwischen Kollegen und Kolleginnen, zwischen Kunden und Verkäufern oder in privaten Beziehungen verhindern, wenn wir die Kunst des aktiven Zuhörens beherrschen würden. Zum Beispiel, wenn es uns gelingt, uns auf uns und auf unser Gegenüber zu konzentrieren und mit Aufmerksamkeit und Anteilnahme den Worten des anderen zuzuhören und auf die Zwischentöne zu achten. Stattdessen sind wir häufig schnell dabei, unserem Gesprächspartner Ratschläge zu geben, ihn zu beschwichtigen oder das Gespräch knackig zu beenden, damit wir uns rasch wieder mit uns und unseren Fragen und Problemen befassen können. So manches Meeting im beruflichen Alltag könnte fruchtbarer sein, wenn wir uns gegenseitig aktiv zuhören, statt abwechselnd zu monologisieren.

Und vielleicht spricht dann das Orakel zu Delphi hin und wieder zu uns. Denn so sagt der Mathematiker, Physiker und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799): „Die Orakel haben nicht aufgehört zu reden, als vielmehr die Menschen ihnen zuzuhören.

Checkliste

 

1.) Die Kunst des aktiven Zuhörens lässt sich lernen. Wichtigste Voraussetzung ist dabei, unser Gegenüber zu respektieren. Wenn wir dazu neigen, die Worte unseres Gegenübers immer negativ zu bewerten und entsprechend zu reagieren, dann kann dies ein Hinweis darauf sein, dass wir ein geringes Selbstbewusstsein besitzen. Wir brauchen dann die abwertenden Worte, um uns größer und erhabener zu fühlen.

2.) Wenn wir aktiv zuhören, dann konzentrieren wir uns auf uns und auf unser Gegenüber. Es gibt dann nichts Wichtigeres.

3.) Aktiv Zuhören heißt, die Worte unseres Gegenübers Wert zu schätzen und ernst zu nehmen und weiter zu fragen, wenn uns die Aussagen des anderen interessieren.

4.) Aktives Zuhören heißt auch, nachzufragen, wenn wir etwas nicht verstehen oder uns etwas unklar ist.

5.) Hilfreich kann es sein, wenn wir das Gesagte noch einmal in unseren Worten zusammenfassen. Wir signalisieren damit unserem Gegenüber, dass wir zugehört haben und eventuelle Missverständnisse lassen sich leicht klären.

6.) Wenn wir aktiv zuhören, dann lassen wir unser Gegenüber ausreden und quatschen nicht dazwischen.

7.) Mit der Kunst des aktiven Zuhörens können in vielen Situationen Konflikte vermieden oder rasch geklärt werden. Hören wir beispielsweise als Führungskraft oder als Kollegin oder Kollege unserem Gegenüber aktiv zu, dann erfahren wir recht schnell, wo es Missdeutungen gibt und Arbeitsaufträge falsch oder unzureichend verstanden sind.

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