Führungskräfte führen

„Ich wünschte mir, ich hätte mehr Zeit für meine Führungskräfte“ bedauerte Kathrin M. im ersten Coaching. Seit einem Jahr leitet sie die Rechtsabteilung in einem großen Versicherungskonzern. Statt die Abteilung zu steuern, „besteht meine Arbeitszeit jedoch fast ausschließlich aus Routineaufgaben.“ Mit dem Ergebnis, dass weder sie noch die ihr unterstehenden Führungskräfte zufrieden und Überstunden für sie die Regel statt die Ausnahme sind.

Im Laufe der Beratung stellte sich Kathrin M. eine Reihe von Fragen und versuchte zunächst einmal, sich über ihre eigene Rolle als Führungskraft ein Bild zu machen, ehe sie daran ging, sich intensiv mit den Führungskräften in ihrer Abteilung zu beschäftigen. Sie erkannte, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Vorbild sein und sie so führen muss, wie sie es sich von ihnen wünscht. „Wenn ich mir keine Zeit für Feedback- und Anerkennungsgespräche mit ihnen nehme, dann kann ich auch nicht erwarten, dass dies meine Mitarbeiter mit ihren Mitarbeitern tun.“

Kritisch stellte sie ihre Stärken und ihre Schwächen auf den Prüfstand und fragte sich, welche konkreten Ziele und Visionen sie für sich und für ihr Team hat. Außerdem überprüfte sie gründlich und auf verschiedenen Wegen, ob sie offen mit ihren Führungskräften kommuniziert.

„Weiterhin wichtig war für uns alle, wie ich mit meinen eigenen Fehlern und den meiner Führungskräfte umgehe. Seitdem wir eine ‚Fehlerkultur‘ eingeführt haben, hat sich vieles im Team verändert. Wir fokussieren uns nicht mehr auf den Schuldigen und stellen ihn an den Pranger, sondern wir prüfen, wie wir den Fehler künftig vermeiden können.“ Seither hat das Vertuschen von Fehlern, das zuvor gängige Praxis in ihrem Team war, fast gänzlich aufgehört.

Spannend war für sie die Erfahrung, dass durch ihr klareres Führungsverhalten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr trauen, kreative und kritische Vorschläge zu machen und aktiv an Lösungen mitzuwirken. „Positiv dazu beigetragen hat auch, dass ich deutlich mehr delegiere und mich nicht selbst in jedes fachliche Detail einarbeite.“ Führung von Führungskräften heißt für sie inzwischen auch, ihr achtköpfiges Team regelmäßig zu einem kollegialen Gespräch einzuladen und jeden einzelnen dabei zu unterstützen, seine fachlichen Kompetenzen und seine Führungsverantwortung auszubauen. „Kombiniert mit den Zielen und Leitbildern unseres Unternehmens gelingt es uns so, die individuellen Laufbahnen zielgerichtet zu steuern und jedem einzelnen die Chance zu bieten, die er aufgrund seiner fachlichen und persönlichen Fähigkeiten verdient hat.“

Das Wichtigste, so sieht sie es heute, ist für sie, dass sie regelmäßig Feedback-Gespräche hat, intern im Unternehmen und extern mit Coaches und Trainern.

Checkliste

 

1.) Das Führen von Führungskräften ist in vielen Unternehmen kein oder ein sehr untergeordnetes Thema. Möglicherweise, weil das Führen von Führungskräften eine spezielle und individuelle Herausforderung ist, für die es nur schwerlich allgemein zu formulierende Empfehlungen gibt.

2.) Wenn Führungskräfte andere Führungskräfte führen sollen, wie z. B. Kathrin M., dann können begleitende Feedback-Gespräche die Führungskraft darin unterstützen, zunehmend Vertrauen zu einem motivierenden Führungsstil zu fassen und eine ausgewogene Balance zwischen Offenheit, Delegation und Kontrolle gegenüber ihren Führungskräften zu finden.

3.) Neben einem individuellen Coaching kann es Führungskräften von Führungskräften helfen, wenn sie sich mit Kollegen in externen Workshops und Foren austauschen.

Tipps zum Lesen

Rosenstiehl, Lutz von, Hornstein, Elisabeth von, Augustin, Siegfried: Change Management Praxisfälle, 2013, Springer Verlag, ISBN: 9783642299902

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