So habe ich es nicht gemeint
„Ich verstehe nicht, wie man das missverstehen kann. Ich habe doch klar gesagt, was ich meine.“ Genau hier liegt die Ursache für die vielen Missverständnisse, die wir täglich erleben, wenn wir miteinander kommunizieren: Der sogenannte „Sender“ sagt etwas und macht in seiner Wahrnehmung eine ganz konkrete Aussage. Sein Gegenüber, der „Empfänger“, hört jedoch etwas ganz anderes und interpretiert die Situation auch so. Deshalb müssen z. B. Fluglotsen und Piloten in ihrer beruflichen Kommunikation das Gehörte immer wiederholen. Damit überprüfen sie, ob ihre Aussagen bei ihrem Kollegen, ihrer Kollegin korrekt angekommen sind. Zum Wohle der Passagiere und der eigenen Person.
Missverständnisse gehören zu unseren beruflichen und privaten Beziehungen dazu. Ist die Kommunikation zwischen zwei Gesprächspartnern grundsätzlich zugewandt, lassen sich Missverständnisse meist rasch ausräumen. Unsere konkreten Nachfragen, wie der andere seiner Aussage gemeint hat und unser Bericht, was die Aussage bei uns ausgelöst hat, lösen die Irritationen häufig sofort wieder auf. Auch weil wir wissen, dass das Gleiche nicht unbedingt Dasselbe bedeuten muss. Zum Beispiel, wenn unser Chef, unsere Chefin bei einer auf dem Tisch liegenden Einladung zu einer Messe zu uns sagt, „da müssen wir hin“. Wir können dann verstehen, ich muss dahin und deshalb andere Termine verschieben. Oder wir verstehen die Aussage dahingehend, dass die Messe wichtig für das Unternehmen ist und das „da müssen wir hin“ keine Aufforderung an uns ist. Eine konkrete Nachfrage gibt uns schnell die Antwort.
In weniger harmonischen Beziehungen allerdings können die Unterschiede zwischen dem, was der „Sender“ geäußert und dem, was der „Empfänger“ gehört hat, zu regelrechten Zerwürfnissen zwischen beiden führen. Vor allem, wenn sie statt darüber zu reden, sich übereinander ärgern. Streit, Konflikt und gegenseitige Ablehnung sind häufig die Konsequenzen und eine Kettenreaktion an Missverständnissen, Fehlannahmen und falschen Schlussfolgerungen das Ergebnis. Bis hin zur Ablehnung der Kollegin, des Kollegen, von der oder von dem wir uns missverstanden fühlen und interpretieren, er oder sie nimmt uns nicht wahr und schätzt uns nicht wert.
Treffender als es Kurt Tucholsky 1931 in einem Brief an seinen Bruder getan hat, lassen sich solche Irrtümer und Missverständnisse über persönliche und geschichtliche Entwicklungen nicht beschreiben: „So etwas von Missverständnissen, von Nebeneinanderdenken, von Aneinandervorbeireden…“ (zitiert aus Kulturgeschichte der Missverständnisse, 1997).
Bleiben Sie miteinander im Gespräch.
Checkliste
1.) Normalerweise können wir davon ausgehen, dass unser Gegenüber uns verstanden hat.
2.) Kommt es allerdings zu Missverständnissen, dann sind oft Sender und Empfänger daran beteiligt. Der Sender trägt zu Fehlschlüssen bei, wenn er unklare Aussagen macht. Der Empfänger beteiligt sich an einem Missverständnisses, wenn er, statt nachzufragen, sich ärgert.
3.) Wenn beide Seiten sich wünschen, die Missverständnisse abzubauen, dann kann eine Mediation oder ein Kommunikationstraining hierbei sehr hilfreich sein.
4.) Missverständnisse sind nicht zu vermeiden. Jeder von uns bringt in ein Gespräch sein oder ihr „Paket“ mit. In unserem Paket sind u. a. viele Erfahrungen aus unserer Kindheit eingepackt. Ein Beispiel: Wir haben als Kind gelernt, dass wir uns so und so zu verhalten haben. Klingt die Bitte unserer Gegenüber wie die damaligen Anweisungen unserer Eltern, dann reagieren wir auf eine klare Bitte oft wie ein trotziges Kind. Zur Überraschung unserer Gesprächspartner. Wir überhören, dass ihre Aussagen ganz neutral sind und sie uns nicht angreifen oder gar maßregeln wollen. Ein gemeinsamer Austausch in einer ruhigen Atmosphäre kann hierbei vieles klären.
Tipps zum Lesen
Antiquarisch: Henscheid, Eckard, Henschel, Gerhard, Kronauer, Brigitte: Kulturgeschichte der Missverständnisse, 1997, Reclam Verlag, ISBN: 9783150104279
Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden, Band 1-3, rororo Verlag, ISBN: 978-3499174896, 978-3499184963, 978-3499605451