Eine Sommergeschichte …

Sie klingt wie ein Märchen, die Sommergeschichte, die an einem Arbeitstag im Sommer 2014 begann: Ein radebrechend Deutsch sprechender junger Mann aus Südeuropa stand mit seiner deutschen Schwägerin im Foyer eines Unternehmens, bei dem er unbedingt arbeiten wollte. Der Inhaber des mittelständischen Medizintechnikbetriebs im Rhein-Main-Gebiet mit 40 Mitarbeitern hatte eigentlich keine Zeit. Das Geschäft brummte. Alle Stellen waren besetzt, Neueinstellungen nicht geplant. Doch der junge Mann beharrte auf einem Gespräch, weil er in seinem Heimatland keine Berufschancen für sich sieht. Trotz seiner guten Ausbildung als Medizintechniker ist er seit längerem arbeitslos und ohne Perspektive. Am Ende entschied sein künftiger Chef Manfred A., ihm statt der gewünschten ganzen Stelle eine halbe Stelle anzubieten und in der übrigen Zeit solle er Deutsch lernen. Sollte er in einem Jahr so gut Deutsch können, dass er in dem kommunikationsintensiven Beruf zurecht komme, dann bietet er ihm in seinem Unternehmen einen festen Job.

Sommer 2015: Das Vertrauen in den einst unbekannten Bewerber hat sich gelohnt. Nicht nur, weil er inzwischen fast fließend Deutsch spricht, sondern vor allem, weil seine fachlichen Kenntnisse sich als Glücksfall für das Unternehmen erwiesen haben. Sein Know-how half, neue Kunden für die Firma zu gewinnen. Besonders in Südeuropa, einem bislang für das Unternehmen wenig zugänglichen Markt, der ausbaufähig ist und von dem Manfred A. hofft, dass er sich langfristig bis nach Südamerika ausdehnt und erweitert.

Wäre die Sommergeschichte der Ausgangspunkt für einen Film, dann stünde vermutlich im Drehbuch unter Protagonisten: Ein mutiger junger Mann, der seine Heimat verlässt, in der er keine berufliche Zukunft für sich sieht. Ein junger Mann, der weiß, was er will und der trotz des Risikos, abgewiesen zu werden, sich traut, sich für sich und seine Zukunft einzusetzen. Ein Firmeninhaber, der bereit ist, sich auf eine ungewöhnliche Situation einzulassen, auch auf die Gefahr hin, dass er enttäuscht wird. Außerdem die Erkenntnis, wie wenig es manchmal braucht, um so eine Sommergeschichte schreiben zu können.

Bleibt die Moral der Geschicht’: Vertrauen zahlt sich aus, zumindest manchmal. Der Vertrauensvorschuss, den der junge Medizintechniker von seinem künftigen Chef bekam, motivierte ihn, so rasch wie möglich sprachlich und beruflich erfolgreich zu sein. Dazu gehörte für ihn unter anderem auch, keinen finanziellen Zuschuss für seinen Sprachkurs seitens des Unternehmens anzunehmen. Ihm war wichtig, sich selbst und seinem Chef zu beweisen, dass es sich lohnen wird, ihm diese Chance zu geben.

Inzwischen ist er fest angestellt und will demnächst eine Familie gründen.

Hätten Charts, Business Pläne, Risikoabwägungen und Erfahrungen allein das Handeln des Firmeninhabers bestimmt, dann wäre er weiterhin so erfolgreich wie 2014. Sein Vertrauen, sein Bauchgefühl, wie der 50jährige selbst sagt, haben ihm unternehmerische Möglichkeiten eröffnet, von denen er zuvor nicht zu träumen gewagt hätte.

Seit kurzem arbeiten ein junger Mann und eine junge Frau bei ihm, die aus ihrem im Krieg sich befindlichen Heimatland geflüchtet sind. Ob ihre Geschichte auch eine Sommergeschichte sein wird, weiß Manfred A. in einem Jahr.

 

Checkliste

1.) Damit Vertrauen entstehen und wachsen kann, braucht es Transparenz, Verlässlichkeit und das beiderseitige Wissen, dass es keine willkürlichen Entscheidungen geben wird. In der Sommergeschichte war es die Transparenz des Firmeninhabers und die Verlässlichkeit des Mitarbeiters, die beiden Protagonisten zum Erfolg verhalfen.

2.) Vertrauen entsteht durch Klarheit, nicht durch nett sein. Vertrauen ist kalkuliertes Risiko und braucht Mut.

3.) Vertrauen entwickelt sich, Schritt für Schritt. Je länger zwei Menschen oder zwei (oder mehrere) Parteien miteinander arbeiten und lernen, sich auf den oder die anderen zu verlassen, umso mehr wächst das Vertrauen. Nicht das blinde Vertrauen, das alles vom anderen glaubt, ohne genauer hinzuschauen. Sondern das Vertrauen, das allen Beteiligten die Möglichkeit lässt, Dinge zu hinterfragen ohne gleich verdächtigt zu werden, den Vertrauensprozess zu hintergehen oder in Frage stellen zu wollen.

4.) Jemandem einen Vertrauensvorschuss zu geben, heißt, darauf zu bauen oder zu wissen, dass der andere etwas schafft, woran dieser womöglich noch nicht einmal selbst glaubt.

Tipps zum Lesen

http://karrierebibel.de/vertrauen/: Die fünf Grundregeln des Vertrauens

http://www.zeit.de/karriere/beruf/2012-01/chefsache-vertrauen-mitarbeiter: So gewinnen Führungskräfte das Vertrauen ihrer Mitarbeiter

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