Die Macht der Gewohnheit

Was passiert da eigentlich? Wir erleben ein exzellentes eintägiges Seminar zum Thema Zeitmanagement, die Anregungen der Referenten klingen hilfreich und zielführend und begeistern uns alle und dann, nach vier Wochen, ist alles wie immer. Vergessen sind die zahlreichen Tipps und Tricks, die uns helfen sollten, unsere tägliche Arbeit zu erleichtern und mehr Zeit für die wichtigen Aufgaben in unserem Beruf zu haben. Stattdessen:‚welcome back‘ liebe alte Gewohnheiten. Sie bestimmen uns wieder genauso erfolgreich wie vor dem Seminar.

Weshalb nur? Weshalb gelingt es uns nicht, unsere tägliche Arbeit besser zu organisieren und die Wege zu gehen, die wir noch im Seminar als goldrichtig erachtet haben und von denen wir überzeugt waren, dass sie für uns vorteilhafter sind? Vereinfacht ausgedrückt: es ist unser bequemes Gehirn. Wenn wir uns so verhalten, dann versucht das Gehirn seine ‚Sparprogramme‘ einzuschalten. Denn alles, was wir aus Gewohnheit tun und tun können, braucht seitens des Gehirns weniger Aufmerksamkeit, weil die einzelnen Schritte fest in uns verankert sind. Das Gehirn schaltet bei vertrauten Gewohnheiten auf ‚Autopilot‘. Es hat dadurch mehr freie Kapazitäten, mit denen es die vielfältigen Informationen, die ständig auf uns einprasseln, analysieren, verarbeiten und bei Bedarf entsprechend reagieren kann. Ohne lange nachzudenken, finden wir abends nach der Arbeit den gewohnten Weg nach Hause und lassen das Sportstudio links liegen oder wir gehen in der Mittagspause direkt zur Currywurst-Theke in der Cafeteria, obwohl wir uns doch so fest vorgenommen hatten, mal weniger zu essen und gesünder zu leben. Unser Gehirn weiß, dass wir uns wohl fühlen bei Currywurst und Co. oder bei unserer Art des Zeitmanagements. Ihm ist es gleichgültig, ob wir eine Gewohnheit als schlecht oder als gut bezeichnen, solange es keine neuen Verhaltensmöglichkeiten trainieren und sich dabei auch noch anstrengen muss.

Wohl deshalb sind wir nur selten erfolgreich, wenn wir uns sagen, mit dieser Gewohnheit hören wir jetzt einfach auf und machen alles anders. Dies gelingt uns im Normalfall nur dann, wenn wir uns dabei nachhaltig besser fühlen als zuvor und uns die neue Gewohnheiten, die daraus entstehen, uns deutlich mehr belohnen als die alten. Etwa, wenn wir dank eines zu uns passenden und individuellen Zeitmanagements merklich gelassener werden und effektiver arbeiten können.

Lang eingeübte Gewohnheiten loszulassen, ist harte Arbeit. Ein wichtiger Schritt dabei ist es, herauszufinden, weshalb wir gewohnheitsmäßig etwas tun und wie wir uns dadurch belohnen. Den für unsere Arbeit wichtigsten Vorgang lieber nach hinten zu verschieben und ihn dann in letzter Minute hektisch zu erledigen, schenkt uns vielleicht das uns wohltuende Gefühl, wir sind es, die bestimmen, wann wir was ausführen und wann nicht.

Und jetzt wird es zäh: „Eine Gewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe hinunterboxen, Stufe für Stufe“, sagte einst der amerikanische Schriftsteller Mark Twain treffend. Solange, bis sich, nach einem meist harten Training und oft genug viel Verzicht, eine neue Gewohnheit in uns verfestigt hat.

Checkliste

 

1.) Gewohnheiten zu verändern ist meistens alles andere als einfach. Vor allem, wenn wir dafür hart arbeiten müssen und der Weg zur neuen Gewohnheit mühselig ist.

2.) Wenn wir uns dafür entscheiden, eine Gewohnheit los zu lassen, dann kann es hilfreich sein, zunächst zu analysieren, was die Gewohnheit auslöst. Z. B., wenn wir in unseren Augen zu viel Kaffee trinken und dies verändern möchten: Gehen wir in die Kaffeeküche, weil wir einen Kaffee brauchen, keine Lust auf unsere Arbeit haben oder weil wir plaudern möchten? Wenn wir z. B. erkennen, dass hinter unserer Gewohnheit, Kaffee zu trinken, vor allem der Wunsch steht, Kontakt zu den Kollegen und Kolleginnen zu haben, dann können wir stattdessen z. B. hin und wieder ein Glas Wasser in der Kaffee-Küche mit ihnen trinken.

3.) Bleiben wir bei unserem gewohnten Zeitmanagement, dann belohnen wir uns mit den oft noch nicht einmal von uns bewusst wahr genommenen Überzeugungen, dass wir es sind, die über unsere Zeit bestimmen und niemand anderes. Und deshalb erlauben wir uns auch, regelmäßig ein paar Minuten zu spät zu kommen. Wir genießen das Gefühl von Macht über die Zeit. Ein für uns neues Zeitmanagement dagegen kann dazu führen, dass die Belohnung des ‚Machtgefühls‘ wegfällt.

Tipps zum Lesen

Roland Kopp-Wichmann: Der Persönlichkeits-Blog, http://www.persoenlichkeits-blog.de/article/8712/zwei-fehler-beim-aendern-von-gewohnheiten

Duhigg, Charles: Die Macht der Gewohnheit: Warum wir tun, was wir tun, 2012, Berlin Verlag, ISBN: 9783827009579

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