Und dann ist Schluss.

Der Abschied aus dem Beruf: im Sommer der letzte Betriebsausflug, im Dezember die letze Weihnachtsfeier, noch ein letztes Mal fröhlich mit allen Kolleginnen und Kollegen Fasching feiern, noch einmal in der jährlichen Betriebsversammlung kräftig mitdiskutieren. Und dann ist Schluss. Das Berufsleben ist vorbei. Statt beruflicher Zukunft existiert jetzt nur noch Vergangenheit.

Der Abschied aus dem Beruf war absehbar, lange und gut vorbereitet, die Übergabe an den Nachfolger, die Nachfolgerin wurde perfekt organisiert. Nicht eingeplant ist das Gefühl der Leere, die das „Loslassenmüssen“ eines langen Berufslebens mit sich bringt. Obwohl der Arbeitsalltag oft alles andere als einfach war, obwohl viele Träume unerfüllt geblieben sind und so mancher Karriereschritt unterblieb.

Viele sehnen den Abschied aus dem Beruf herbei, freuen sich auf die freie Zeit für sich und ihre Familien, genießen die neuen Chancen, die ihnen ihre geänderten Lebensumstände bieten.

Für viele heißt der Ausstieg aus dem Beruf jedoch erst einmal Angst. Sie fürchten sich vor dem Neuen, sie fragen, sich „wer bin ich jetzt noch“, wenn z. B. niemand mehr Chef oder Chefin zu mir sagt und meine fachliche Kompetenz nicht mehr gefragt ist. Sie klammern sich an das Vertraute, das Altbekannte. Etwa der Seniorchef, der immer noch versucht, seiner Tochter zu sagen, wie sie zu handeln hat, weil es ihm schwer fällt, die Verantwortung für die Leitung des Familienunternehmens an sie abzugeben.

Loslassen zu können will offenbar gelernt sein. Es gehört zu unserem Leben dazu und dennoch fällt es uns häufig schwer. Wie oft schon wollten wir die längst überholten beruflichen Träume beenden, uns von einem unzuverlässigen Mitarbeiter trennen oder uns gar aus einer unglücklich machenden Liebe verabschieden. Um uns dann im nächsten Moment zu fragen, was kommt danach? Und statt loszulassen, halten wir lieber weiter daran fest. Wir vermeiden es, uns dem Schmerz und der Trauer zu stellen, die ein Abschied, ein Loslassen oft mit sich bringen.

Vielleicht hilft es uns, wenn wir uns ab und an trauen, uns die Frage zu stellen, was wäre eigentlich, wenn wir nicht mehr verharren in unserer Angst oder im ungeliebten Gewohnten? Wenn wir vielleicht sogar aufhören würden, die Kränkungen, die uns zugefügt wurden oder unser Nachtragendsein immer weiter in uns zu hegen und zu pflegen? Wenn wir lernen würden, Niederlagen anzunehmen und zu verarbeiten?

Wir stünden mit leeren Händen da, und unsere freien Hände hätten die Freiheit, neue Chancen und Möglichkeiten zu ergreifen.

   

Checkliste

 

1.) Loslassen gehört zu unserem Leben dazu. Dennoch fällt es uns oft schwer, los zu lassen. Wir wissen, dass wir es in einer bestimmten Situation tun müssen, und wir haben Angst davor, es zu tun, weil es oft schmerzt und uns verletzt.

 

2.) Ein erster Schritt, z. B. bestimmte Gewohnheiten, schwierige berufliche Situationen, eine ungeliebte Stelle oder das endlose Träumen von unserem Traumberuf loszulassen, kann sein, erst einmal zu akzeptieren, dass wir trotz besseren Wissens daran festhalten. Auch wenn uns diese Erkenntnis über uns vielleicht nicht immer gefällt.

 

3.) Unterstützend beim „Loslassen lernen“, können Fragen sein wie, was gewinne ich für mich, wenn ich los lasse? Kann ich wachsen, wenn ich eine berufliche oder persönliche Position aufgebe? Muss ich jetzt wirklich eine Antwort finden oder kann das Problem auch erst einmal ungelöst bleiben, weil es für mich im Moment keine klare Entscheidung gibt? Ist es in dieser Situation überhaupt wichtig loszulassen oder vielleicht wichtiger, „dran zu bleiben“, auch wenn die Hindernisse fast unüberwindlich erscheinen und es viel bequemer für mich wäre, aufzugeben?

 

Tipps zum Lesen

 

Tarr, Irmtraud, Loslassen – die Kunst, die vieles leichter macht, 2007

Herder Verlag, ISBN: 9783451059216

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