Ich erlaube mir

Eine geänderte Wortwahl kann geradezu befreiend wirken. Immer wieder erlebe ich es im Coaching, wie der Satz „ich erlaube mir“, statt „ich muss“, einem Klienten hilft, weniger Stress in bestimmten Situationen seines Berufsalltags zu haben und mehr Gelassenheit im Umgang mit sich und seiner Tätigkeit zu entwickeln. Ein Beispiel: Jochen M. hat seine Ausbildung zum Friseurmeister erfolgreich absolviert und sich vor zwei Jahren mit zwei Kollegen selbständig gemacht. Alle drei tragen die Verantwortung für ihren Betrieb und die 10 Mitarbeiter, die sie von ihrem Vorgänger übernommen haben.

„Ich muss gut sein, jeder Schnitt muss perfekt sein, ich muss alles richtig entscheiden, ich muss es schaffen, in drei Jahren alle Schulden bezahlt zu haben….“ Mit diesen Sätzen trieb sich Jochen M. über die letzten beiden Jahre immer heftiger an und erhöhte systematisch seine tägliches Arbeitspensum, bis er spürte, wenn er so weiter macht, wird er die Belastungen seines Berufsalltages nicht mehr durchhalten können, und seine Familie wird sich von ihm lösen, weil er keine Zeit mehr für sie hat.

Zunächst lehnte er es ab, das Wörtchen „muss“ durch die Worte „ich erlaube mir“ zu ersetzen. Zu fremd erschien es ihm, die gewohnten Kategorien des Müssens, des Perfekt-Sein-Wollens zu verlassen. Zu ungewohnt fühlte es sich für ihn an, sich selbst etwas zu erlauben, sich etwas zu gestatten, sich selbst etwas Gutes zu tun. Im Laufe des Beratungsgespräches wagte er es dann doch, statt „ich muss“ „ich erlaube mir“ zu sagen, übte es im Alltag immer wieder und mit zunehmender Freude und erlebte immer deutlicher, wie wohltuend es für ihn war, sich zu erlauben, gut zu sein, statt gut sein zu müssen, sich zu erlauben, perfekte Schnitte zu machen, statt perfekte Schnitte machen zu müssen…. „Ich habe es nicht glauben wollen, wie positiv sich die geänderte Wortwahl auf mich, meine Arbeit und auf meine Familie auswirkt. Ich bin viel gelassener, fühle mich weniger gestresst und deutlich weniger belastet. Und wenn ich mal nicht so gut gewesen bin, dann erlaube ich es mir einfach, beim nächsten oder übernächsten Mal wieder gut zu sein.“

Manchmal ersetzt er sein „ich muss“ auch durch die Worte „ich kann“. Er schenkt sich damit die Freiheit und die Verantwortung, sich für oder gegen etwas entscheiden zu können, statt sich getrieben zu fühlen von zu starkem Pflichtbewusstsein und vom Müssen.

     

Checkliste

 

1.) Jochen M. hat sich einen sogenannten „Anker“ ausgesucht, der ihm dabei geholfen hat, immer häufiger statt „ich muss“ „ich erlaube mir“ zu denken und zu sagen: Er befestigte an seiner Werkzeugtasche einen Smiley-Button.

2.) Immer wieder hat er sich bestimmte Situationen ausgesucht, in denen er sich vorab besonders bewusst machte, sorgfältig auf seine Gedanken- und Wortwahl zu achten. Beispielsweise die vierwöchentliche Teamsitzung.

3.) In seinem Terminkalender trägt er sich bis heute täglich 15-ich-erlaube-mir-Minuten ein, in denen er macht, wozu er dann gerade Lust hat. Spazieren zu gehen z. B.: Zeitung zu lesen, keine 15-ich-erlaube-mir-Minuten leben zu wollen … .

Beiträge, die Sie auch interessierten könnten