Eigentlich will ich …

… bereits seit einigen Tagen das Angebot an meine Kunden schicken, meinen Schreibtisch aufräumen, den längst überfälligen Geschäftsplan erstellen, die seit Wochen verspätete Semesterarbeit beginnen … . „Eigentlich“ ist ein wunderbares Wort, weil es uns die kleinen Hintertürchen offen hält, durch die wir immer wieder elegant hindurch schlüpfen. Mit „eigentlich“ können wir Tatsachen vor uns und vor anderen gut verschleiern. Denn wenn wir sagen, eigentlich geht es mir gut, eigentlich habe ich alles im Griff und mein Job läuft, dann schwächen wir unsere Aussagen ab. Entweder, weil wir bestimmte Dinge nicht direkt sagen wollen oder weil wir mit dem „eigentlich“ das Wörtchen „aber“ verbergen. Eigentlich geht es mir gut, aber, wenn die und die Bedingungen erfüllt wären, ginge es mir noch besser. Die Angebote für die Kunden schreiben, ja, gerne, aber …. Und schon sind wir wieder davon gelaufen, haben uns womöglich dafür entschieden, etwas anderes zu erledigen, anstatt das anzupacken, was ansteht und für uns und unsere Arbeit wichtig ist.

Machen wir ein kleines Experiment. Streichen wir das Wörtchen eigentlich aus den oben angeführten Sätzen und aus allen anderen, die wir täglich mit „eigentlich“ versehen. Sie haben dann eine andere Botschaft: Ich will bereits seit einigen Tagen das Angebot an meine Kunden schicken; den Schreibtisch aufräumen; den Geschäftsplan erstellen; mit geht es gut; ich habe alles im Griff. Wir werden durch das kleine Experiment zum einen erfahren, wie häufig wir das Wort „eigentlich“ benutzen und wie trickreich wir es anwenden. Denn statt der Tatsache ins Auge zu sehen, dass wir beispielsweise gerne unangenehme Aufgaben und Herausforderungen verdrängen, aufschieben und uns ungern festlegen oder zuzugeben, dass wir zufrieden sind mit uns und unserem Dasein, tanzen wir mit „eigentlich“ um unsere wirklichen Gefühle und Gedanken herum.

Angenommen, wir würden einmal unserem Kollegen oder unser Partnerin statt „eigentlich hast Du Recht“ antworten „Du hast Recht“, was würde dann geschehen? Vermutlich nichts Schlimmes. Höchstens, dass wir klarer und möglicherweise offener mit unserem Gegenüber umgehen, weil wir unser Schlupfloch „eigentlich“ verstopft haben, durch das wir fliehen, wenn wir etwas nicht direkt sagen oder wollen.

Sätze ohne eigentlich können für uns auch unangenehm sein. Sie werden dann für uns verpflichtend. Ich will den Schreibtisch aufräumen; den eschäftsplan aufstellen; diese Aussagen uns selbst gegenüber lassen uns keine Ausreden mehr.

 

Checkliste

1.) Eigentlich hat auch eine ganz andere Bedeutung. Etwa, wenn wir nach dem eigentlichen Sinn eines Wortes, eines Textes oder einer Aussage fragen. Dann fragen wir nach dem Eigentlichen, dem Wesentlichen, dem Wichtigen. Eigentlich meint hier wirklich, tatsächlich.

2.) Mit unserer Sprache verraten wir oft, was in unserem Unterbewusstsein vor sich geht. Hören wir uns bei in unseren Sätzen immer wiederkehrenden Worten einmal genau zu und fragen uns, was wäre, wenn wir das jeweilige Wort weglassen, den Satz anders formulieren oder z. B. statt „ich würde“ „ich will“ sagen oder das ebenfalls beliebte Wörtchen „hätte“ streichen. Unsere Wortwahl kann dazu dienen, uns selbst zu managen oder uns daran hindern, uns für uns und unsere Arbeit, für unser Tun verantwortlich zu fühlen.

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