From a distance…

…sieht die Erde blau und grün aus und die schneebedeckten Berge leuchten weiß…’ heißt es in dem von Julie Gold 1985 geschriebenen Lied, das Betty Middler erfolgreich interpretierte. Manchmal, so verstehe ich Julie Gold, ist es besser, die Welt aus der Distanz zu betrachten, als aus zu allgroßer Nähe. Denn da sind dann ‚keine Waffen‘, vielmehr ‚herrscht…aus der Entfernung offenbar Harmonie‘ und ‚Hoffnung und … Frieden‘.

Wenn wir uns Distanz erlauben, ‚draußen‘ in der großen Welt und ‚drinnen‘ in unserer unmittelbaren Umgebung, dann ermöglichen wir uns, Dinge zu sehen und wahrzunehmen, die uns sonst entgangen wären oder die wir nicht gesehen hätten.

Übertragen auf das Berufsleben kann das Lied dabei helfen, zu erkennen, dass es im beruflichen Alltag sinnvoll ist, eine professionelle Distanz zu Kollegen und Mitarbeitern zu halten. Besonders Führungskräfte wie Abteilungs- oder Teamleiter stehen immer wieder vor der Aufgabe, einerseits menschliche Nähe zu ihren Mitarbeitern zu entwickeln, ein angenehmes und vertrauensvolles Betriebsklima zu schaffen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass damit keine zu kumpelhafte Situation entsteht. Denn diese macht es schwierig oder gar unmöglich, unbequeme Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Mitarbeiter möchten wahrgenommen werden mit ihren Stärken. Sie brauchen allerdings auch die Distanz der Führungskraft, die erkennt, wo die Schwächen des Einzelnen liegen und wie dieser zu unterstützen und zu fördern ist, um sich beruflich weiter zu entwickeln.

Wie sich menschliche Nähe und professionelle Distanz im Berufsalltag in die Balance bringen lässt, lässt sich kaum in Seminaren lernen. Wohl auch, weil jeder Kollege, jede Mitarbeiterin und jede Führungskraft auf unterschiedliche Art und Weise und mit einer eigenen ‚Sprache‘ kommuniziert – die einen vornehm zurückhaltend, die anderen eher derb und polterig. Verhält sich der Kollege oder die Führungskraft dabei respektvoll und wertet mit seiner Sprache die Person und das Tun des Gegenübers nicht ab, dann schaffen es die meisten Angesprochenen, die individuell unterschiedliche Art der Kommunikation ihrer Kollegen oder ihrer Führungskräfte anzunehmen. Und sie können dann meist auch akzeptieren, dass einzelne Kollegen sich ungern an gemeinsamen Aktivitäten des Teams beteiligen. Insbesondere wenn die Kollegen im Beruf offen und teamorientiert arbeiten.

Menschliche Nähe und professionelle Distanz gilt es im beruflichen Alltag immer wieder neu auszutarieren. Dem anderen konzentriert und ruhig zuzuhören und ihm nicht sofort vor lauter Ungeduld unsere und für uns klare Lösung zu präsentieren, kann ein guter Weg sein, dem anderen Vertrauen und Respekt zu schenken und ihm gleichzeitig zu signalisieren, dass es sich um ein sachliches Gespräch handelt.

 

Checkliste

 

1.) Nähe und Distanz im beruflichen Alltag sind für Kollegen wie für Führungskräfte häufig eine große Herausforderung. Besonders dann, wenn aus einem Kollegen, einer Kollegin ein Vorgesetzter wird und sich beide seit längerem duzen. Hier gilt es für beide Seiten, professionell miteinander umzugehen und möglichst niemand das Gefühl zu geben, der Geduzte würde bevorzugt oder der Duzende könne sein Gegenüber besonders beeinflussen und das Du taktisch für sich selbst einsetzen.

2.) Um genügend professionelle Distanz zu wahren, ist es für Führungskräfte empfehlenswert, nicht bis zum Ende eines langen gesellschaftlichen Abends zu bleiben.

3.) Klarheit und Respekt, gepaart mit Freundlichkeit, zuhören und gegenseitiges Akzeptieren von Meinungen und Erfahrungen sind Wegweiser für ein konstruktives Miteinander im beruflichen Alltag. Ebenso konkretes Loben und konstruktive Kritik. Kumpelhaftes Verhalten, Klatsch und Tratsch sind es eher weniger.

Tipps zum Lesen

Goldfuß, Jürgen: Führen in schwierigen Zeiten, 2010, Campus Verlag, ISBN: 9783593392554. Eine Einführung in das Thema.

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