"Ich würde …"

Mögen Sie sie? Ratschläge, um die Sie nicht gebeten haben? Und die oft mit den Worten beginnen, ‚ich an Ihrer – oder an Deiner – Stelle würde…‘. In den meisten Fällen schätzen wir ungebetene Ratschläge nur wenig. Wir empfinden sie eher als aufdringlich, denn als hilfreich. Besonders dann, wenn sie von jemand kommen, der meint, zu wissen, was für uns gut ist und uns deshalb mit viel Engagement versucht von seinen Ideen und Ansichten zu überzeugen. Er übersieht dabei, wie wir selbst unsere aktuelle Situation wahrnehmen und wie sehr wir gelegentlich an uns zweifeln.

Wie kann uns ein Rat helfen? Ein konkretes Beispiel: Wenn wir vor der Entscheidung stehen, unser gewohntes Umfeld verlassen zu müssen, weil wir uns beruflich weiter entwickeln möchten und dies gleichzeitig für die ganze Familie bedeutet, an einem anderen Ort noch einmal neu anzufangen.

Brauchen wir für diese Frage einen Rat von außen, weil wir uns hin- und hergerissen fühlen und allein nicht weiter kommen, dann empfiehlt es sich, sich mit zwei Fragen näher zu beschäftigen. Wer soll der Ratgeber sein, ein Freund oder eher ein professioneller Berater? Und sind wir offen für überraschende Wege? Oft genug lassen wir uns beraten, obwohl wir uns längst entschieden haben und eigentlich keinen Rat brauchen und die Ideen des anderen sicherlich nicht umsetzen werden. Wir sind überzeugt davon, dass unser Standpunkt der richtige ist und wollen nur darin bestätigt oder gar dafür gelobt werden. Bemerkt der Ratgeber, dass wir seine Anregungen komplett ignorieren und gar nicht gebraucht haben, dann kann dies spätestens beim nächsten Mal dazu führen, dass er sich zurückzieht und uns künftig misstraut.

Umgekehrt sollten Ratgeber prüfen, ob sie die richtigen sind für eine konkrete Fragestellung oder ob es für den Ratsuchenden womöglich zielführender wäre, mit andere Experten zusammen zu arbeiten.

Wenn beide Seiten, Ratsuchende und Ratgeber, sich verdeutlichen, welche Kunst es ist, sich beraten zu lassen und zu beraten, dann kann der Prozess beide Beteiligte weiter bringen. Der Ratsuchende sieht für sein Problem am Ende der Beratung möglicherweise andere Lösungsmöglichkeiten. Der Ratgeber macht die Erfahrung, dass

seine Kompetenz für den Ratsuchenden unterstützend war. Manchmal gelingt dies erst nach mehreren gemeinsamen Gesprächen und langsam aufgebauten gegenseitigen Vertrauen.

 

Checkliste

 

1.) Ratsuchende sind oft davon überzeugt, sie wüssten am Besten, was für sie gut ist und vertrauen ihrer eigenen Meinung mehr als der eines Beraters. Sie sehen im Berater einen Bestätiger und keinen Ratgeber.

2.) Ratgeber mit großer Fachkompetenz glauben häufig, sie könnten alle Fragen beantworten und alle Probleme lösen.

3.) Ein Beratungsprozess läuft dann zufriedenstellend ab, wenn Ratgeber und Ratsuchender sich gegenseitig zuhören, wenn ausreichende Informationen für das konkrete Problem auf dem Tisch liegen, wenn mehrere Möglichkeiten herausgearbeitet werden, und wenn beide wissen, dass der Ratgeber versucht, den Ratsuchenden zu unterstützen, am Ende jedoch der Ratsuchende entscheidet, was er tun will. Das geschieht manchmal auch zum Leidwesen des Ratgebers, der einen anderen Weg für den richtigen erachtet hatte und sich dann damit schwer tut, besonders wenn beide Seiten miteinander befreundet sind.

Tipps zum Lesen

Garvin, David A., Margolis, Joschua D.: Die Kunst des guten Ratschlags, Harvard Business, April 2015, S. 30 – 45. Nachdruck 20154030, www.havardbusinessmanager.de

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