Mein Chef, der Kumpel

Fassungslos schaute mich Sabine in der Beratungsstunde an. Statt einer weiteren Fülle von Komplimenten hatte ihr Chef ihr vor ein paar Tagen mitgeteilt, er wisse nicht, ob er weiter mit ihr arbeiten könne oder sie nicht besser sein Unternehmen nach ihrer Probezeit verlasse. Bislang hatte er jeden Arbeitsschritt von ihr gelobt, ihr selbständiges Tun geschätzt und sie in jeder Hinsicht gefördert und innerhalb kürzester Zeit gegenüber ihren Kollegen ausgezeichnet. Und das „Du“ zwischen ihnen war für beide selbstverständlich. Was war geschehen?

Ein paar Kleinigkeiten aus ihrer Sicht. Ein paar Minuten Verspätung bei einigen Sitzungen, ihre kurzfristige Absage eines Termins aufgrund eines Notfalls, und ihre sachliche und bestimmte Analyse eines komplizierten Falls, den ihr Chef anders eingeschätzt hatte. Für sie nichts Besonderes, für ihren Chef jedoch offenbar Grund zur Annahme, sie nehme ihn in seiner Führungsrolle nicht ernst. Der scheinbar kumpelhafte Umgang miteinander, der sich besonders im „Du“ ausdrückt, hatte Sabine vergessen lassen, dass sie mit ihrem Chef nicht auf einer Hierarchiestufe steht. Sie glaubte, gute Arbeit und engagiertes Mitdenken wären ausreichende Zeichen für ihre Loyalität. Und Harald? Mit dem raschen Du an alle Mitarbeiter schien er ihnen zu signalisieren, er sei eher ihr Kumpel, als ihr Chef. Doch sobald er sich in seiner Rolle als Führungskraft angegriffen fühlte, ließ er sich auf keine Entschuldigungen und Bitten um Verständnis bei Fehlern mehr ein.

Die Kommunikation zwischen einem Chef, einer Chefin und den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist in vielen Betrieben eine tägliche Herausforderung. Oft jedoch ganz besonders, wenn das „Du“ eine scheinbare Gleichstellung signalisiert. Für Sabine war schnell klar. Sie wird künftig alle Vorgaben ihres Vorgesetzten konsequent respektieren und einhalten, nicht zuletzt wenn es um Termine mit ihm geht. Noch ist offen, ob sie die Probezeit schaffen wird.

Checkliste

Die Checkliste verweist auf Fragen und Erfahrungen aus der täglichen Coaching-Praxis.

 

1.) In vielen Betrieben ist es inzwischen üblich, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Chefs oder Chefinnen duzen. Halten Sie als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin feinfühlig und genau die dann oft schwer zu erkennenden Hierarchieebenen ein.

 

2.) Auch wenn der Chef, die Chefin Sie duzen, Sie haben nicht die Verantwortung für das Unternehmen oder für die Abteilung. Vermeiden Sie auch deshalb eine kumpelhafte Sprache, bleiben Sie beim Du respektvoll und halten Sie die sprachliche Distanz zwischen sich und den Führungskräften in Ihrem Unternehmen ein.

 

3.) Falls möglich, ist es für alle Beteiligten hilfreich, wenn die Spielregeln im Unternehmen transparent sind und immer wieder klar kommuniziert werden. Falls möglich, fragen Sie ruhig nach, wenn Ihnen die Strukturen und Abläufe nicht ganz klar sind.

 

4.) Beachten Sie als Mitarbeiter und Mitarbeiterin die Spielregeln Ihres Unternehmens ganz konsequent. Kommen Sie beispielsweise pünktlich zu einer Sitzung, auch wenn diese Regel für Ihren Vorgesetzten, Ihre Vorgesetzte nicht zu gelten scheint.

 

Tipps zum Lesen

Immer, wenn es für uns möglich ist, wählen wir für Sie aus der sehr umfangreichen Literatur zu Beruf und Karriere einige Bücher aus, die unsere ganz subjektiven Empfehlungen für Sie sind:

 

Marx-Lang, Brigitte, Berufliches Parkett – Ihr Auftritt, bitte!

2004, Marx-Lang Verlag, ISBN 978-3980754118

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