Vorbild

„Mein jetziger Chef ist mein Vorbild. Wenn ich erst einmal eine entsprechende Position erreicht habe, will ich so handeln und führen wie er. Deshalb bin ich hier. Das möchte ich lernen.“ Mit diesen Sätzen antwortete Michael S., Marketingkaufmann und Mitarbeiter einer Eventagentur in der ersten Beratungsstunde auf meine Frage, welche Ziele er für das Coaching habe. Sein klarer Hinweis auf seinen Chef als Vorbild für seinen beruflichen Werdegang verblüffte mich. Wolle er nicht lieber seinen eigenen Weg gehen, anstatt sich an einem fast doppelt so alten Vorgesetzten zu orientieren? Für Michael S. war dies keine Frage. Er brauche Vorbilder, beruflich wie privat, um zu wissen, wie er seine Wege weitergehen kann und will. Sie geben ihm Orientierung, zeigen ihm verschiedene Möglichkeiten auf, wie er sein Leben gestalten kann, und sie motivieren ihn, sich selbst weiter zu entwickeln zu der Führungspersönlichkeit, die er gerne sein wolle.

Sein Chef als sein Vorbild half ihm in der Beratung, klar zu erkennen und zu entscheiden, welche Verhaltensweisen und welche Strategien er von ihm übernehmen will und wie er diese in seine eigene Persönlichkeit integrieren kann. Er schätzt es beispielsweise, dass sein Chef einerseits Visionen und Ziele deutlich formuliert, im Einzelfall jedoch flexibel reagiert, wenn ein Ziel gar nicht oder nur auf kompliziertem Weg zu erreichen ist. „Das zu lernen ist für mich eine große Herausforderung. Ich halte sehr lange an vereinbarten Zielen fest und bleibe dann dabei, auch wenn ich längst weiß, dass das nicht mehr sinnvoll sind.“ Inzwischen übt er, bei Änderungsvorschlägen von Kolleginnen und Kollegen oder von seinem Vorgesetzten erst einmal gründlich abzuwägen, und sie nicht sofort mit den Worten, „das hatten wir anders vereinbart“, abzulehnen.

Bewundernswert findet er an seinem Chef, dass er Fehler offen zugibt und sich entschuldigt, wenn er jemand Unrecht getan hat. „Bislang habe ich meine Fehler immer versucht zu vertuschen. Jetzt stehe ich dazu und werde von den Kolleginnen und Kollegen mehr respektiert als zuvor.“ Das Coaching half ihm auch, seine Schattenseiten zu sehen, zu akzeptieren und daran zu arbeiten. „Ich habe wahrnehmen können, dass mein Chef Schwächen hat, die er offenbar gut kennt, jedenfalls geht er humorvoll damit um. Mein Vorbild ist nicht perfekt. Ich muss es demnach ebenso wenig sein. Das entlastet mich und lässt mich gelassener sein.“

 

Checkliste

1.) Das Verhalten von einem beliebten Chef kann in einem Unternehmen effektiver sein als jede Regel und Vorschrift. Kommt er beispielsweise morgens regelmäßig und pünktlich zur Arbeit, werden die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur gleichen Zeit anwesend sein.

2.) Von uns selbst gewählte Vorbilder können uns helfen, uns zu orientieren. Gelingt es beispielsweise einem Vorgesetzten, mit seinen Mitarbeitern wertschätzend umzugehen, werden wir sein Verhalten vermutlich übernehmen und allmählich ebenfalls die Leistungen der anderen würdigen.

3.) Durch ihr Verhalten können Vorbilder uns dazu motivieren, Mut aufzubringen, für uns ungewohnte Wege zu gehen und neue Verhaltensweisen auszuprobieren.

4.) Weniger hilfreich ist es für uns, wenn wir uns in den Erfolgen unseres Vorbildes sonnen und dabei vergessen, dass wir nichts dazu beigetragen haben.

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