Meine Grenzen kennen

„Glück heißt, seine Grenzen kennen – und sie lieben.“ Als ich dieses Zitat des französischen Nobelpreisträgers für Literatur Romain Rolland (1866-1944) las, stutzte ich. Das Kennen meiner Begrenzungen soll Glück bedeuten? Romain Rolland sieht die Grenzen, die Begrenzungen, die jeder von uns hat, offenbar nicht als Einschränkung, sondern als Chance. Aus seiner Sicht kann ich Glück empfinden, wenn ich meine Grenzen, meine Begrenzungen, meine Fähigkeiten und meine Nicht-Fähigkeiten kenne und diese akzeptiere oder gar liebe. Wenn ich meine Grenzen genau überblicke, wenn ich ziemlich sicher für mich abschätze, was ich zu leisten vermag und was nicht, denn dann kann ich meine Potentiale für mich und mein Umfeld voll ausschöpfen und einsetzen.

Meine Leistungsgrenzen zu kennen, heißt auch, zu wissen, wo ich sie auch einmal überschreiten kann und wo eher nicht. Wozu ich ja sage und wozu ich nein sage. Mich und meine Begrenzungen zu beherrschen, gibt mir die Freiheit, mich bei bestimmten Aufgaben selbst herauszufordern und zu versuchen, meine vorhandenen Grenzen weiter nach draußen zu verschieben. Herauszukommen aus meiner Komfortzone, in der ich mich so bequem eingerichtet habe. Gut, ich habe vielleicht kein großes Talent im Umgang mit Technik. Deshalb kann ich dennoch versuchen, die Computer- und Handywelt näher kennen zu lernen und mich darin auszuprobieren, statt mich auf meinen Lorbeeren auszuruhen und das Erlernen neuer Techniken kategorisch abzulehnen.

Umgekehrt heißt das Glück zu haben, die eigenen Grenzen zu kennen und zu lieben, dass ich mir bei bestimmten Aufgaben und Herausforderungen selbst Grenzen setzen kann. Ich erkenne, was bei einem Projekt momentan und langfristig wichtig ist und was nicht und was ich dafür zu leisten im Stande bin. Statt grenzenlos alles und jedes mitzumachen, statt bedingungslos zu allem ja zu sagen, weiß ich, wann es für mich genug ist. Ich entscheide über meine Grenzen, ich übernehme für mich und mein Tun die Verantwortung und lade sie nicht ab auf den anderen, den Vorgesetzten, den Mitarbeitern, der Familie, den Freunden.

Mir selbst Grenzen zu setzen, bedeutet, selbständig zu handeln, statt mich abhängig zu machen, vom dem, was andere von mir wollen und was ich für sie tun soll. Und ich habe die Freiheit, mich jeden Tag dafür zu entscheiden, meine Grenzen auszuloten und neues, bislang unbekanntes Terrain für mich zu entdecken.

   

Checkliste

 

1.) Sich selbst und auch anderen Grenzen zu setzen, gehört zu den großen Herausforderungen in unserem privaten und beruflichen Alltag. Oft wissen wir nur zu gut, dass wir in einer bestimmten Situation statt Ja lieber Nein gesagt hätten. Hinter einem „grenzenlosen“ Ja stecken häufig Wünsche, wie beispielsweise uns bestätigt zu fühlen, dazuzugehören, niemand verletzen zu wollen.

 

2.) Wenn wir unsere Grenzen kennen und lieben, dann können wir öfter Nein sagen. Dann wissen wir, was in der jeweiligen Situation wichtig ist. Und wenn wir uns regelmäßig dabei ertappen, zu schnell zu allem Ja zu sagen, dann ist es hilfreich, beim nächsten Mal erst einmal nein zu sagen. Das lässt sich dann später leichter in ein Ja korrigieren als umgekehrt.

 

3.) Bei uns gestellten Aufgaben können wir klar definieren, was wir bis wann leisten können. Klar definierte Grenzen helfen uns, die uns selbst gestellten Vorgaben dann auch einzuhalten.

 

4.) Mit unseren klaren Grenzen signalisieren wir unserem Gegenüber, bis hierher und nicht weiter. Überschreitet er die Grenzen, können wir ihm dies deutlich vermitteln und darauf reagieren.

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