Du oder nicht doch lieber Sie?

Wie reagiere ich, wenn ich auf meine Anfrage nach einem Ausbildungsplatz ein nettes Antwortschreiben bekomme und mit ‚Sie‘ und meinem Vornamen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werde? Spreche ich den Absender und damit meinen möglichen künftigen Abteilungsleiter ebenso an oder muss ich es vielleicht sogar so tun? Wie adressiere ich deutsche und amerikanische Arbeitskollegen, wenn wir gemeinsam an einem Tisch sitzen? Bleibe ich beim ‚you‘ und Vornamen, wie es in den angelsächsischen Ländern üblich ist und beim ‚Sie‘ und den Nachnamen wie wir es in unserem deutschen Unternehmen pflegen? Oder ist dann für alle ‚Vorname-und-Sie‘ angesagt? Auch bei meinem Chef? Was mache ich mit einem Kollegen, der neu ist, und der alle Kolleginnen und Kollegen, die ich duze, auch duzt, außer mich? Und kann ich einem Kollegen das ‚Du‘ wieder entziehen und ihn künftig wieder ‚Siezen‘, der versucht hat, mich mit falschen Behauptungen bei unserer Chefin anzuschwärzen?

Der Knigge weiß darauf eine klare Antwort und sagt, dass jeder volljährige Mensch hierzulande den Anspruch darauf hat, mit ‚Sie‘ angesprochen zu werden, weil es im Normalfall wertfrei ist und eine gewisse Distanz garantiert. In einem beruflichen Umfeld mit klar definierten Hierarchien ist deshalb ein ‚Sie‘ meistens hilfreich und angebracht. Ebenso, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufigen und öffentlichen Kundenkontakt haben. Ein ‚Du‘ dagegen überspringt Hierarchien und gestaltet das Zusammenarbeiten in einem Unternehmen häufig entspannter. Besonders, wenn Kolleginnen und Kollegen mehr oder wenig gleich alt oder jung sind. Das oft freundschaftlich klingende und häufig auch so eingesetzte ‚Du‘ kann im Beruf allerdings dann zu einem Problem werden, wenn sich die Beziehungen innerhalb eines Teams oder einer Abteilung verändern. Etwa, wenn ein Kollege zum Leiter der Abteilung aufsteigt, und sich dadurch die Hierarchien und die Strukturen in einem Team verschieben. Mit klaren Absprachen können beide Seiten die neue Herausforderung meistern. Möglich ist dabei sogar, dass sie sich zum Beispiel gemeinsam dafür entscheiden, sich künftig wieder zu siezen und mit dem Vornamen anzusprechen. Treffen unterschiedliche Gepflogenheiten aufeinander, etwa in einem internationalen Team, dann ist eine klare Absprache zwischen allen Beteiligten zu empfehlen im Umgang mit ‚you‘ und Vornamen, sowohl für den mündlichen als auch für den schriftlichen Kontakt. Denn nicht jeder Chef, nicht jede Chefin mag es, hierzulande ebenso mit ‚Sie‘ (you) und dem Vornamen angesprochen zu werden, wie vor den angelsächsischen Geschäftspartnern in deren Heimat.

Und hat sich die Beziehung zwischen zwei Partnern sehr verändert, etwa wenn ein Kollege jahrelang gegen einen anderen intrigiert hat, dann ist zu prüfen, ob ein klares und Distanz herstellendes ‚Sie‘ und der Nachname der bessere Umgang miteinander sind statt dem bislang gepflegten und jetzt fraglich gewordenen ‚Du‘.

Wenn wir unsicher sind und nicht so recht wissen ob ‚Du oder nicht doch lieber Sie‘, dann ist ein ‚Sie‘ und der Nachname unseres Gegenübers immer noch die sicherste Alternative, nicht zuletzt in einem Antwortschreiben auf eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch.

Checkliste

 

1.) Die Antworten auf die Fragen nach ‚Du‘ oder ‚Sie‘ sind nicht immer ganz leicht zu finden. Neben ein paar allgemeinen Regeln hilft uns unser Fingerspitzengefühl durch den manchmal schwierigen Parcours des Verhaltens im Beruf.

 

2.) Im beruflichen Umfeld bietet der oder die Ranghöhere das ‚Du‘ an.

 

3.) Grundsätzlich gilt eher Zurückhaltung beim ‚Du‘. Oft bedauern duzende Kolleginnen und Kollegen, dass sie zu schnell das ‚Du‘ untereinander eingeführt haben.

 

4.) ‚Du‘ oder ‚Sie‘ sollte sich auf die Zusammenarbeit möglichst wenig auswirken und ein ‚Du‘ oder ‚Sie‘ nicht dazu verwendet werden, Kolleginnen und Kollegen auszugrenzen und ihnen Informationen vorzuenthalten.

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